Byzantinische Bilderstreit

Der Byzantinische Bilderstreit ist eine Zeit der leidenschaftlichen theologischen Debatte in der Orthodoxen Kirche und dem byzantinischen Kaiserhaus während des 8. und 9. Jahrhunderts, in der es um den richtigen Gebrauch und die Verehrung von Ikonen ging. Die beiden Parteien wurden als Ikonoklasten (Ikonenzerstörer) und Ikonodulen (Ikonenverehrer) bezeichnet.

Ikonen haben in der orthodoxen Kirche einen ganz anderen Stellenwert als Kunstwerke in westlichen Kirchen. Sie sind nicht nur Kunstwerke, sondern gleichzeitig ein Ausdruck der theologischen Lehre und der Spiritualität. Ikonen werden verehrt - nicht angebetet - weil sie, nach der Lehre der Kirche, wie ein Fenster zum Himmel einen Blick ins Jenseits zulassen.

Von daher ist verständlich, dass eine Bewegung, die die Ikonen abschaffen wollte, sehr viel tiefer in das Leben der Kirche eingriff, als ein bloßer Bildersturm. Die orthodoxe Kirche hat zahlreiche Heilige, die im Bilderstreit zu Märtyrern wurden - vergleichbar mit den protestantischen Märtyrern, die für den freien Zugang zur Bibel starben.

Über die Gründe, die zum byzantinischen Bilderstreit führten, wird bis heute gestritten, wobei Thesen von islamischem Einfluss über das zweite Gebot bis zu persönlicher Zerstörungsfreude weltlicher byzantinischer Kaiser diskutiert werden.

Erste ikonoklastische Periode

Kaiser Leo III. der Isaurier (717-741) war durch seine syrische Herkunft möglicherweise von arabischen Vorstellungen des Bilderverbots beeinflusst. 726 ließ er in einem demonstrativen Akt die große, goldene Christusikone am Chalke-Tor seines Kaiserpalastes zerstören, was zu einem ersten Aufruhr in der Bevölkerung führte. 730 verbot er die Anbetung der Ikonen Jesu, Marias und der Heiligen und befahl die Zerstörung dieser Bilder. Leo war in der Lage, diese Politik wegen seiner persönlichen Popularität und seinen militärischen Triumphe zu verkünden - er hatte das Wohlwollen Konstantinopels durch Siege gegen Arabien 717-718 erworben.

Der Bilderstreit wurde durch viele Christen geschürt, die außerhalb des Byzantinischen Reiches im islamischen Einflussbereich lebten oder der Glaubensgemeinschaft der Paulikianer angehörten.

Johannes von Damaskus und Germanus von Konstantinopel waren in dieser Zeit die wichtigsten Gegner der Ikonoklasten. Es ist bemerkenswert, dass den Ikonodulen unter moslemischer Herrschaft mehr Freiheit zur Bilderverehrung gewährt wurde, als im Byzantinischen Reich. Nur im islamischen Einflussgebiet blieben auch nennenswerte Zahlen von alten Ikonen erhalten, die bekanntesten befinden sich im Katharinenkloster auf dem Sinai.

Leos Sohn Konstantin V. (741-775) war ebenfalls Ikonoklast. Nach einer Rebellion eroberte er Konstantinopel zurück, und ging in der Folge noch fanatischer als sein Vater gegen die Ikonodulen vor. In den Jahren, die folgten, kam es nicht nur zu einer Zerstörung von Ikonen und Reliquien sondern auch zu einer blutigen Verfolgung von Ikonenverehrern, wobei Tausende, insbesondere Mönche, verbannt, gefoltert und getötet wurden. Die Verfolgung endete erst mit Konstantins Tod im Jahre 775.

754 berief Konstantin das Konzil von Hiereia, das die Bilderverehrung verurteilte und Johannes von Damaskus und Germanus von Konstantinopel exkommunizierte. Das Konzil bezeichnete sich selbst als siebtes ökumenisches Konzil, wurde aber von keiner Kirche anerkannt, da kein Patriarch daran teilgenommen hat (westliche Begründung), und da seine Beschlüsse im Volk weithin abgelehnt wurden (östliche Begründung). Bemerkenswerterweise bezeichnete dieses Konzil den damals bereits verstorbenen Ikonenverteidiger Johannes von Damaskus mit dessen arabischem Namen Mansur und beschimpfte ihn als "sarazenisch gesinnt", d.h. als islamophil. Die offensichtliche Unlogik dieses Vorwurfs mag mit zur Ablehnung dieses Konzils beigetragen haben.

Der Nachfolger Konstantins, Leo IV., (775-780) war ebenfalls auf Seiten der Ikonoklasten aber moderater in der Verfolgung, seine Frau Irene von Athen gehörte jedoch zu den Ikonodulen - ein diesbezüglicher Ehestreit ist dokumentiert.

Das zweite Konzil von Nicäa

Nach dem Tod Leos wurde Irene von Athen Regentin für ihren unmündigen Sohn Konstantin VI.. Sie beendete die erste ikonoklastische Periode durch Einberufung des zweiten Konzils von Nicäa 787, wobei die Ikonenverehrung als erlaubt galt, jedoch ihre Anbetung ausdrücklich verboten wurde. Man begründete dies mit der Lehre der Inkarnation, wie Johannes von Damaskus sie formuliert hatte: Weil Gott in Jesus Christus Fleisch wurde, eine konkrete, körperliche, menschliche Gestalt annahm, ist eine körperliche Darstellung möglich. Die Heiligen verkörpern je auf ihre Weise den Heiligen Geist. Christus und die Heiligen können nun bildlich dargestellt werden -- im Gegensatz zum zweiten Gebot, das vor der Inkarnation von Jesus Christus galt. Jedoch wurde auch beschlossen, dass alle Ikonen mit Aufschriften versehen werden sollen, um eine Verselbständigung der Verehrung der Ikone als Gegenstand, ohne Rücksicht auf die dargestellte reale Figur, zu verhindern. Auch der Papst in Rom, wo die Heiligenbilder nie ernsthaft in Frage gestellt worden waren, stellte sich hinter diese Beschlüsse. Im Frankenreich unter Karl dem Großen dagegen wurden die Beschlüsse auf dem Konzil von Frankfurt abgelehnt.

Das zweite Konzil von Nicäa ist offiziell das siebte ökumenische Konzil der Katholischen und Orthodoxen Kirche; im Protestantismus reichen die Ansichten zu diesem Konzil von totaler Ablehnung bis zu Anerkennung unter Vorbehalt.

Die Ikonenverehrung war auch während der Regierung des Nachfolgers der Kaiserin Irene, Nikephoros I. (802-811) und zweier kurzer Regierungsperioden nach ihm gestattet.

Zweite Ikonoklastische Periode


Kaiser Leo V. (813–820) erkannte das Konzil nicht an und leitete 813 eine zweite Periode des Ikonoklasmus ein. Diese wurde teils schärfer geführt als der erste Bilderstreit und wurde auch systematischer von Leo vorbereitet. Vor allem scheint er mit größerer Härte auch in den Provinzen geführt worden zu sein, was man vom ersten Bilderstreit, der nur eine Minderheit betroffen hatte, so nicht behaupten kann. Auch unter Leos Nachfolgern Michael II. und dessen Sohn Theophilos wurde der Bilderstreit fortgesetzt. Er wurde erst unter Michael III. beendet.

Wiederherstellung der Ikonen

Theophilus starb, und seine Frau Theodora übernahm die Regierung für den unmündigen Erben Michael III.. Wie Irene 50 Jahre vor ihr, mobilisierte Theodora die Ikonodulen und ordnete 843 die Wiederherstellung der Ikonen an. Um den im Volk weit verbreiteten Ikonoklasmus endgültig nieder zu ringen, befahl sie außerdem die gnadenlose Verfolgung und Vernichtung der Paulikianer.

Seitdem wird der erste Sonntag der Fastenzeit in der orthodoxen Kirche als das Fest Triumph der Orthodoxie gefeiert.

Zeitgenössische Weiterverwendung des Begriffs "Bilderstreit": Weimarer Bilderstreit

Ikonoklasmus

Literatur

  • M. V. Anastos: Iconoclasm and Imperial Rule 717–842, in: The Cambridge Medieval History, Bd. 4.1, hrsg. von J. M. Hussey, Cambridge 1966, S. 61–104.
  • S. Gero: Byzantine Iconoclasm during the Reign of Leo III. Corpus Scriptorum Christianorum Orientalium 41. Louvain 1973.
  • Johannes Irmscher (Hrsg.): Der byzantinische Bilderstreit. Sozialökonomische Voraussetzungen – ideologische Grundlagen – geschichtliche Wirkungen. Eine Sammlung von Forschungsbeiträgen. Koehler & Amelang, Leipzig 1980.
  • Hans Georg Thümmel: Die Frühgeschichte der ostkirchlichen Bilderlehre. Texte und Untersuchungen zur Zeit vor dem Bilderstreit. Texte und Untersuchungen zur Geschichte der altchristlichen Literatur 139. Akad.-Verl., Berlin 1992, ISBN 3-05-000828-8.
  • Heinz Gauer: Texte zum byzantinischen Bilderstreit. Der Synodalbrief der drei Patriarchen des Ostens von 836 und seine Verwandlung in sieben Jahrhunderten. Studien und Texte zur Byzantinistik 1. Lang, Frankfurt am Main u.a. 1994, ISBN 3-631-46757-5.
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  • Hans Georg Thümmel: Die Konzilien zur Bilderfrage im 8. und 9. Jahrhundert. Das 7. Ökumenische Konzil in Nikaia 787. Konziliengeschichte A: Darstellungen. Schöningh, Paderborn u.a. 2005, ISBN 3-506-71374-4 (Inhaltsverzeichnis).

Weblinks

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