Hera

Hera ist in der griechischen Mythologie die Gattin des Zeus.

Die eifersüchtige Hera beoabachtet argwöhnisch des Zeus Schritte u. macht, wenn er ihren Wünschen nicht Folge leistet, ihrem Ärger durch unbändiges Gezänk Luft. Zu tätigem Widerstand fehlt ihr jedoch der Mut; droht er ihr, so lenkt sie alsbald ein.

Dafür aber sucht sie andere zum offenen Widerstand heimlich anzureizen, und einmal macht sie sogar mit Poseidon u. der Athene den Anschlag, den Zeus zu fesseln, aus welcher Gefahr ihn Thetis durch Herbeirufen des hundertarmigen Briareos rettet. Zeus selbst fürchtet ihre schnelle Zunge: bald bringt er sie durch heftigen Zornausbruch zum Schweigen, bald begnügt er sich, ihr seine Überlegenheit auszudrücken; bald aber droht er ihr auch mit Schlägen, hat auch wohl schon die Geißel gegen sie gebraucht; ja, einmal, wegen der feindlichen Nachstellungen, die sie dem Herakles bereitet, hat er sie in dem Äther und den Wolken schwebend aufgehängt, die Hände mit goldener Fessel gebunden und an den Füßen zwei Ambosse, und nur durch einen schweren Meineid weiß sie sich vor einem gleichen Ausbruch seines Zorns zu schützen.

Meist sucht sie durch List und auf heimlichen Wegen ihre Zwecke zu erreichen. Heimlich eilt sie mit Athene den Achäern zu Hilfe, heimlich regt sie auch den Achilleus zur Teilnahme am Kampf auf, und tückisch weiß sie die Troer durch Athene zum Bruch des geschlossenen Vertrags zu veranlassen. Am glänzendsten aber zeigt sie ihre List, als sie, des Zeus Schwachheit kennend, durch Liebeszauber ihn berückt, um seine Aufmerksamkeit vom Kampf abzuziehen, damit Poseidon den Achäernihrem Verhältnis zum Titanen Eurymedon, von dem sie den Prometheus geboren haben soll, und von ihrer Liebe zu dem schönen Knaben Aetos, der in einen Adler verwandelt ward, zu erzählen.

Barberinische Juno im Vatikan zu Rom (Hera)

Vielmehr sind die Kinder, als deren Mutter sie in der ältern Sage erscheint, alle auch Kinder des Zeus. So Ares, Hebe, die Eileithyien, jene die reife, mannbare Jungfrau, diese die Geburtsgöttinnen, endlich Hephästos. H. ist auch Wächterin über die Geheimnisse des ehelichen Lebens. Sie erscheint darum auch als Helferin in den Nöten der Entbindung, und in Argos wurde sie geradezu als Eileithyia, als Geburtsgöttin, verehrt. Wenn sie den Dionysos verfolgt und in Raserei stürzt und das gleiche Los über Athamas verhängt, weil er Erzieher des Gottes war, sowie über Ino, die denselben von Hermes zur Pflege empfangen hatte, so erscheint sie als Wächterin der Reinheit des olympischen Stammes. ( Hera (Barberinische Juno; Rom, Vatikan).]

Vieles im Mythus der H. wird mit Recht aus Naturerscheinung und Naturanschauung erklärt. So ist der eigentliche Grund der Streitigkeiten des Zeus und der H. (von deren physikalischer Bedeutung freilich Homer keine klare Vorstellung mehr hatte) in der Naturbedeutung der beiden Gottheiten zu suchen. Bei der eigentümlichen Beschaffenheit des griechischen Himmels entwickeln sich alle Erscheinungen der Atmosphäre oder des Wolkenhimmels, Regen, Sturm etc., so heftig und stürmisch und in so gewaltigem Gegensatz, daß das Bild eines ehelichen Zankes der herrschenden Mächte ein sehr natürliches und ausdrucksvolles ist.

Hera Skulpture gewidmet von Cheramyes. Samos. c. 560 v.Chr. Louvre Museum, Paris

Hera Ludovisi

Wenn es z. B. heißt, daß Zeus die H. im Grimm gepeitscht und ibren Sohn Hephästos vom Olymp heruntergeschleudert habe, so sollten damit wohl ursprünglich die Aufregungen des Himmels ausgedrückt werden, wenn Zeus in Stürmen und Wetterwolken einherfährt, die Luft gleichsam geißelt und mit Feuerstrahlen um sich wirft. Wenn ferner Zeus die Göttin am Himmel aufhängt und sie in der Luft schweben läßt, so ist auch dies ein Bild von der Gewalt des höchsten Himmelsgottes, der die Lust und die Wolken gleichsam herabhängen läßt.

Der Versuch der H., in Verbindung mit Poseidon und Athene den Zeus zu fesseln, deutet wohl ebenfalls auf einen Aufruhr der Natur hin. Wenn H. sich mit den finstern Mächten der Tiefe verbindet und verderbliche Mächte erzeugt, so ist dies ein Bild der gefährlichen, in dichten Nebeln über der Erde gelagerten Luft. Auch der Pfau, welcher ihr als Attribut beigegeben ist, und dessen Augen im entfalteten Schweif die Pracht des gestirnten Himmels bedeuten, hat eine Beziehung zu ihrem Wesen. Doch ist zuzugestehen, daß eine Reihe von Zügen im Mythus der H. auch auf sie als Mondgöttin paßt. Eine solche war ursprünglich auch die mit der griechischen H. identifizierte italische Juno.

Die plastischen Darstellungen der H., deren wir aber aus der guten griechischen Zeit nur sehr wenige haben, halten sich vornehmlich an die Homerische Schilderung: große, runde, offene Augen, strenger, majestätischer Gesichtsausdruck, ein etwas stark hervortretendes Kinn (die unbeugsame Entschlossenheit des Willens ausdrückend), Körperformen einer blühenden Matrone; dazu züchtige Bekleidung: aufgeschürzter Chiton, der nur Hals und Arme bloßläßt, mit weitem, die ganze Gestalt verhüllendem Obergewand, die königliche Kopfbinde (Stephane), öfters auch ein Schleier.

Der Granatapfel in ihrer Hand ist das Symbol ehelicher Fruchtbarkeit, was auch jene verhängnisvollen Äpfel bezeichnen, welche Gäa bei ihrer Hochzeit hatte wachsen lassen. Die gewöhnlichsten Attribute sind außerdem: das Zepter als Zeichen der Herrschaft, die Patera oder Opferschale in der Hand, der Pfau zu ihren Füßen, auch wohl der Kuckuck (als Bote des Frühlings), Blumen und Blätter (als Symbole des Natursegens).

Berühmt vor allen andern Bildern war die kolossale Goldelfenbeinstatue des Polyklet in ihrem Tempel bei Argos, von der uns römische Münzbilder noch eine Vorstellung geben. H. erschien hier auf reich geschmücktem Thron sitzend, die Stirn mit einem Diadem geschmückt, worauf die Chariten und Horen im Relief gebildet waren; in der einen Hand hielt sie einen Granatapfel, in der andern das Zepter, worauf der Kuckuck saß. Die Strenge dieser ältern Auffassung ist noch bewahrt in dem Farnesischen Herakopf in Neapel, während jüngere Werke mehr das Frauenhafte oder Königliche in der Göttin betonen.

Beides ist aufs schönste vereinigt in dem vielbewunderten, von einer Kolossalstatue stammenden Kopf der H. Ludovisi in Rom . Unter den statuarischen Darstellungen sind die bedeutendsten: die Barberinische Juno im Vatikan zu Rom und ein Marmortorso von Ephesos in Wien; erstere gibt das Motiv der H. Teleia (Juno Pronuba), deren berühmtestes Bild Praxiteles für Platää geschaffen hatte. Eine eigentümliche Gestaltung der Göttin, die aber die Kunst wenig bechäftigt hat, ist die H. Eileithyia (Juno Lucina). Unter den Mythen der H. ist derjenige von der heiligen Hochzeit (hieros gamos) mit Zeus am häufigsten behandelt worden.

Ursprung der Milchstrasse , Tintoretto, National Gallery, London . Die Milchstrasse entstand als der kleine Herakles aus den schneeweißen Brüsten der Hera Milch trank und während sie ihn zurückstiess ein Strahl Milch über den Himmel schoss und die Milchstrasse formte

Juno, Andrea Appiani

Ixion und Nephele (eine Kopie der Hera), Rubens

Siehe auch:  Heraion, Heräen

Andere Wortbedeutung: "Hera" ist auch die Bezeichnung des Asteroiden Nummer 103, Hera (Asteroid)

Literatur

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Die zwölf olympischen Götter

Lexikon der Griechischen Mythologie

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