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Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere (* etwa 4 v. Chr. in Córdoba; † 65 in der Nähe von Rom), war ein römischer Philosoph, Dramatiker, Naturforscher und Staatsmann. Ab dem Jahr 48 war er der Erzieher des Kaiser Nero. Für diesen schrieb er mehrere Ratgeber, etwa darüber, warum es weise sei, als Herrscher Milde walten zu lassen (De Clementia). Nero verdächtigte ihn jedoch später, an der Verschwörung des Piso beteiligt gewesen zu sein, und nahm dies zum Anlass, Seneca zur Selbsttötung zu zwingen. Leben Lucius Annaeus Seneca wurde in Córdoba (Spanien) als zweiter Sohn von Helvia und Lucius Annaeus Seneca (Seneca dem Älteren) geboren, der ein erfolgreicher Rhetor war. Sein älterer Bruder Gallio war Proconsul in Achaia, wo er um 53 dem Paulus von Tarsus (Apostel Paulus) begegnete. Seneca war ein Onkel des Dichters Lucan. In Rom genoss er eine Ausbildung in Rhetorik und stoischer Philosophie. In der Folge konnte er als Schriftsteller und Redner Erfolge verbuchen. Unter Kaiser Claudius wurde Seneca 41 des Ehebruchs mit Livilla, einer Schwester des Caligula, bezichtigt und nach Korsika verbannt. Nach der Heirat des Claudius mit Agrippina (49) holte ihn diese als Erzieher ihres Sohnes Nero nach Rom zurück. Nach der Thronbesteigung Neros wurde Seneca 54 zusammen mit dem Präfekten Sextus Afranius Burrus dessen Berater. Im Jahr 65 wurde Seneca angeklagt, an der Verschwörung des Piso zur Ermordung des Kaisers beteiligt gewesen zu sein. Ohne Gerichtsurteil wurde er von Nero zum Selbstmord gezwungen. In Anwesenheit seiner Freunde öffnete sich der Philosoph die Pulsadern. Außerdem trank er Gift aus dem Schierlingsbecher, mit dem schon Sokrates hingerichtet wurde. Tacitus verfasste einen Bericht über den Tod Senecas und seiner Frau Pompeia Paulina, die ihm in den Tod folgen wollte. Paulina, die sich bei ihrem Selbstmordversuch in einem anderen Raum aufhielt als Seneca und sich bereits die Adern aufgeschnitten hatte, wurde auf Neros Befehl verbunden und zum Weiterleben gezwungen. Sie lebte daraufhin nur noch wenige Jahre. Seneca Philosophie Seneca befasste sich mit Fragen der rechten Lebensführung, insbesondere der Ethik. Er sah die Gelassenheit als oberste Tugend an: "Das höchste Gut ist die Harmonie der Seele mit sich selbst." (De Vita Beata, VIII, 6: "Summum bonum esse animi concordiam.") Neben Mark Aurel und Cicero zählt er zu den wichtigsten Vertretern der römischen Stoa. Die Vernunft bezeichnete er als "Teil des göttlichen Geistes, versenkt in den menschlichen Körper". Seneca sah die Pflichterfüllung als Dienst am Menschen. Es sei die Pflicht jedes Einzelnen, Gutes zu tun. "Geben wir so, wie wir selbst empfangen möchten: vor allem gern, rasch und ohne jedes Zögern." In seiner Schrift De clementia forderte er die Bürger zur Milde auf. Er versuchte, seine Philosophie in die Praxis umzusetzen. So lebte er trotz seines Reichtums bescheiden: Er trank nur Wasser, aß wenig, schlief auf einer harten Matratze. Seneca sah keinen Widerspruch zwischen der stoischen Lehre und seinem Reichtum: Er bemerkte, dass der Weise nicht zur Armut verpflichtet sei, sofern er sein Geld ehrlich verdient habe. Außerdem müsse er fähig sein, stoffliche Güter aufzugeben. Seneca forderte dazu auf, sich tätig am politischen Leben zu beteiligen und soziale Aufgaben zu übernehmen. Ziel sei es, den Mitbürgern zu dienen und sich damit selbst zu befreien. Er pries die Freundschaft und Geselligkeit. Es sei unglückseliger, einem anderen zu schaden, als selbst Schaden zu erleiden, Hilfsbedürftigen solle man die Hände reichen. Ein glückliches Leben könne nur derjenige führen, der nicht nur an sich selbst denke und alles seinem Vorteil unterordne. Glück spende die Fähigkeit zur Freundschaft mit sich selbst und anderen. Besonders jedoch müsse man Pessimisten aus dem Weg gehen, die über alles jammern. Der Philosoph sah sich als Weltbürger: Daher sind wir Stoiker (...) nicht auf die Mauern einer einzigen Stadt beschränkt, sondern stehen im Austausch mit dem gesamten Erdkreis und erkennen in der ganzen Welt unser Vaterland. Sklaven bezeichnete Seneca als Mitmenschen. Sein Grundsatz lautete: "Behandele deinen Untergebenen so, wie du von deinem Vorgesetzten behandelt werden möchtest. Sei mild zu deinem Sklaven, geh auch freundschaftlich mit ihm um, ... hole seinen Rat ein, bitte ihn an deinen Tisch... . Sie (Sklaven) sind nicht unsere Feinde, wir machen sie erst dazu." Seneca gehört damit zu den wenigen Denkern der Antike, die sich kritisch mit der Sklaverei auseinander gesetzt haben. Frauen hielt Seneca nicht für geistig erwachsene Menschen und stellte sie auf eine Stufe mit Kindern. "So ist der Zorn vor allem eine Untugend von Frauen und Kindern. ... Ja, auch Männer haben kindische und weibische Charakterzüge." Die römische Sitte, "missgestaltete" Kinder nach der Geburt zu töten, bejahte er ausdrücklich. Seneca betrachtete sich selbst als unvollkommenen Weisen: "Ich preise das Leben, nicht wie ich es führe, sondern wie ich weiß, dass es geführt werden muss." Im Unterschied zu griechischen Vertretern der Stoa stand er Gefühlen nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Jedoch riet er, Zornesausbrüche zu meiden. Ebenso müssten andere Affekte und Leidenschaften wie Lust, Unlust, Begierde und Furcht überwunden werden. Erstrebenswert und erlernbar seien hingegen Gefühle von Glück und Freude. Glücklich sei nicht derjenige, der über viel Geld verfüge, sondern derjenige, dessen Gut geistiger Natur sei. Der Glückliche "kennt keinen, mit dem er tauschen möchte." Für Seneca war das Schicksal vorherbestimmt. Der Mensch könne sein Schicksal annehmen oder ablehnen. Er könne sich aber in Maßen auch dagegen wappnen. Bejahe er es aus eigenem Wollen, dann nutze er seine Freiheit. Der Tod ist naturgegeben: "Gewährt uns die Gottheit noch den morgigen Tag, wollen wir ihn in Freuden annehmen... . Alles Künftige ist ungewiss. Lebe jetzt gleich." Selbstmord wird von Seneca nicht kategorisch ausgeschlossen. Den Tod bezeichnet der Philosoph als "Nicht-Sein" d.h. "Nach mir wird das, was vor mir war." Erkenntnisse sah Seneca als historisch gewachsen an. Sie beruhen auf der Weisheit ihrer Entdecker. Jeder könne dieses Erbe durch eigene geistige Leistungen vergrößern. Werke Seneca sah sein Werk in erster Linie als Anleitung zur praktischen Lebensgestaltung. Sein Schaffen umfasst eine Satire, ein meteorologisches Essay, verschiedene philosophische Schriften, 124 Briefe, die sich mit moralischen Fragen befassen, und zehn Trauerspiele. Seine Reden, die ihn zu seiner Zeit berühmt gemacht haben, sind verloren gegangen. Im 4. Jahrhundert n. Chr. tauchte ein gefälschter Briefwechsel mit dem Apostel Paulus auf, was Hieronymus dazu verführte, Seneca als christlichen Heiligen zu sehen. Seiner Philosophie wurde zeitweilig eine Nähe zum Christentum nachgesagt. Sein Stil ist knapp, klar und deutlich, bisweilen scharf. Er verwendet rhetorische Fragen und bedient sich gern kurzer Aphorismen. Seneca formuliert Thesen und Antithesen und setzt überzeugende Metaphern ein, um sein Denken zu verdeutlichen, den Leser zu überraschen und dessen Neugierde zu wecken. Senecas Auffassung stoischer Philosophie beeinflusste die Entwicklung der Ethik. Seine Schauspiele hatten maßgeblichen Einfluss auf die tragischen Dramen der Renaissance, insbesondere im elisabethanischen England des 16. Jahrhunderts. Werke in Auswahl
Literatur Quellenwerke/Ausgaben
Sekundärliteratur
Weblinks
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