Nikos Kavvadias

Nikos Kavvadias (* 1910 in Harbin, China; † 10. Februar 1975 in Athen) war ein griechischer Dichter und ein Seemann. Er betrachtete sich aber weder nur als Dichter, der zu seinem Vergnügen gern reiste, noch nur als Seemann, der gern Gedichte schrieb. Für ihn waren beide Berufe unzertrennlich miteinander verbunden.

Biographie

Kavvadias wurde 1910 im mandschurischen Harbin geboren, wuchs aber auf der griechischen Insel Kephalonia und in Piräus auf. Wie viele andere vor der Berufswahl stehende Jugendliche in Piräus entschied auch er sich für den Eintritt in die Handelsmarine. Auf großen Frachtern und Postschiffen, die auch für den Passagierdienst eingesetzt wurden, war er ständig auf großer Fahrt. Bis 1939 arbeitete er sich vom einfachen Jungmatrosen zum Funkoffizier hoch.

Zu Beginn des zweiten Weltkrieges war Kavvadias Soldat in Albanien. Während der deutschen Besatzung hielt er sich in Athen auf. Ab 1944 fuhr er wieder zur See und bereiste in den folgenden 30 Jahren viele große Häfen in fast allen Teilen der Welt. Ein langer Ruhestand war ihm nicht vergönnt. Er starb an einem Schlaganfall kurz nach seiner letzten Reise im Februar 1975 in Athen. Freunden gegenüber hatte er manchmal geäußert, er hoffe, sein Tod würde ihn auf See treffen. Auf seinem Sterbebett soll er gesagt haben: "Was ich immer befürchtet habe, wird jetzt eintreffen." Er meinte damit den Tod an Land und die Bestattung in einem Erdgrab.

Seine Literatur

Beim ersten Durchblättern seiner Bücher fällt auf, dass fast alle Gedichte aus fein säuberlich gereimten Vierzeilen bestehen, entweder in der Reimfolge AABB, ABBA oder ABAB. Damit sind sie vor allem für jene angenehm zu lesen, die von der Formlosigkeit moderner Poesie nicht viel halten.

Kavvadias' erste Gedichtsammlung mit dem Titel "Marabu" erschien 1933, die zweite, "Nebel", folgte 1947, und die dritte, "Traverso", kurz vor seinem Tode. Der Titel der letzten Sammlung ist ein von griechischen Seeleuten benutzter Ausdruck für den abweichenden Kurs, der notgedrungen bei sehr misslichen Wetterverhältnissen eingeschlagen wird. Solche Kursabweichungen können ganze Schiffsbesatzungen verdrießlich stimmen. In den letzten Gedichten von Kavvadias ist eine Bitterkeit zu spüren, wie sie bei Seeleuten aufkommen mag, wenn ein zu der beabsichtigten Reiseroute konträrer Kurs eingeschlagen werden muss. Vermutlich war er mit sich selbst und seinen Dichtungen nicht mehr ganz zufrieden.

In Griechenland ist Kavvadias vorwiegend durch seine Gedichte bekannt geworden, besonders mit denen, die von Thanos Mikroutsikos vertont und unter dem Titel "Das Kreuz des Südens" herausgegeben wurden. Er schrieb aber auch etwa 200 Seiten Prosa, die in dem Buch "Vardia" (Wache) auch in deutscher Übersetzung vorliegen.

Obwohl "Vardia" in Literaturlexika meistens als Novelle bezeichnet wird, handelt es sich doch mehr um autobiografische Erzählungen aus Kavvadias' Leben als Seemann. Den größten Teil des Buches nehmen die Gespräche ein, die er als Bordfunker mit den Wachoffizieren während der nächtlichen Wachen auf der Brücke führte. Es ist nur zu offensichtlich, dass die Hauptfigur, der Funkoffizier Nikos, mit dem Dichter Kavvadias identisch ist. In erster Linie handelt es sich um Erinnerungen an Ereignisse, die sich während seiner langen Laufbahn in der griechischen Handelsmarine an Land und auf See abgespielt hatten. Natürlich drehen sich viele dieser Erinnerungen um Frauen. Nikos hatte eine große Schwäche für Prostituierte, respektierte sie aber. Sein Verhältnis zu ihnen war ehrlich, anständig und manchmal sogar liebevoll. Mit seinen Erinerungen sind surrealistiche Selbstbesinnungspassagen verflochten, die Nikos während der stillen Zeiten in seiner Funkerkabine wie in Tagträumen durchlebt haben mag. Vielleicht sind sie aber auch teilweise zurückzuführen auf seinen gelegentlichen Gebrauch von Opium und anderen Drogen.

Würdigung

Die Übersetzung eines Gedichtes in eine andere Sprache bietet viele Angriffspunkte für die Kritik. Es wird behauptet, dass die Poesie bei der Übersetzung in eine andere Sprache teilweise oder ganz verloren geht, der Rhythmus gestört wird, die Reime entfallen und machmal sogar der Inhalt etwas abbröckelt. Der einzige Weg, ein Gedicht befriedigend zu übersetzen, ist der, sich völlig in das Original zu vertiefen, es zu absorbieren und dann neu zu gestalten in der eigenen Sprache. Die Frage, ob dabei nicht ein anderes Gedicht oder bestenfalls eine Version entsteht, ist natürlich berechtigt, aber die Antwort könnte lauten: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, wird aber geringer je mehr sich der Übersetzer bemüht, das wiederzugeben, was der Autor des Originals ausdrücken wollte. Wenn es ihm trotzdem gelingt, Reim und Metrum nicht zu vernachlässigen, darf er annehmen, wenigstens eine gute Version geschaffen zu haben.

Mit welchem Recht aber darf man annehmen, einen Autor und sein Gedicht völlig verstanden zu haben? Sicherlich gibt es viele griechische Muttersprachler, die Kavvadias' Gedankengänge nicht ganz nachvollziehen können. Die wenigen, die ihn richtig verstehen, werden Seeleute sein, denen sein Fachjargon geläufig ist und die außerdem noch literaturbeflissen sind. Sicher werden es wohl kaum Ausländer sein, deren Griechischkenntnisse beschränkt sind und die ein Schiff gelegentlich nur als Passagier betreten haben. Die folgende Übersetzung allerdings ist gerade von einem der letzteren verfasst worden: Aus Kavvadias' Füllhorn ergießt sich ein so großer Reichtum, dass es kein großer Verlust ist, wenn hier und da ein Tröpfchen verschüttet wird.


Gedichte

Ich werde immer ein ideeler aber unwürdiger Liebhaber bleiben
der weiten Reisen und blauen Seen
und ich werde in einer Nacht sterben wie in jeder Nacht
ohne je die unscharfe Linie der Horizonte zu überqueren.
Nach Madras, Singapur, Algerien und Sfax
werden die stolzen Schiffe starten
und ich gebückt im Büro mit Seekarten
werde Berechnungen machen in dicken Logistischen Büchern
werde aufhören über weite Reisen zu reden,
die Freunde werden glauben ich hab alles vergessen
und meine Mutter glücklich wird jeden der fragt sagen:
"Es war ein jugendliche Dummheit, aber jetzt ist es vorbei.."
Aber mein Ich wird eines Abends sich erheben
und mich zur Rede stellen wie ein Richter
und diese unwürdige Hand die zittert wird sich bewaffnen
sie wird zielen und furchtlos den Schuldigen schlagen.


ARMIDA

Käpt'n Jills Piratenschiff
hatte eine Ladung Drogen.
Doch bevor ich das begriff,
hattest du mich mitgezogen.

Monate auf See. Die Crew
ließ sich Zeit. Mit allem sacht.
Eh' wir kamen nach Peru,
sollte sein geraucht die Fracht.

Segeltörns auf einem Meer
mit viel fremden Kräuterarten.
Die Augenlider wurden schwer,
wenn Mond und Sonne uns anstarrten.

Die Luken klafften, dunkel,leer.
Tausend Tons? Nein, nicht so viele.
Für die Pfeifen gab's nichts mehr.
Zöllner warteten in Chile.

Der Nordstern! Wo? Nicht mehr im Norden?
Beide Anker abgesoffen.
Hoch im Mastkorb hocken Horden
von Meerjungfern. Soll man hoffen?

Eines Nachts, sehr viel getrunken,
springt die schönste der Figuren
in die Tiefe. Fünf Halunken
hinterher. Im Wasser huren?

Letzten Endes gibt es Ruh'.
Die See spuckt die gesamte Crew,
Möwenflügel in der Hand,
auf Akoras trocknen Strand.



Weblinks

Kavvadias (engl.)

Von "http://de.wikipedia.org/"
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