Sikyon

geographische Lage von Sikyon

Sikyon (griech. Σικυών) war ein antiker Stadtstaat (Polis) auf dem nördlichen Peloponnes zwischen Korinth und Achaia (Pellene).

Der Name der Polis wird in der lokalen Legende auf einen König (Pausanias II, 5, 6), von Eustathios von Thessalonike auf die Pflanze Sikyos zurückgeführt.

Sikyon nahm als Polis in Größe und Bedeutung eine Mittelstellung ein; es befand sich wie Tegea, Mantinea oder Korkyra unter den „Kleinen der Großen“.

Skulptur vom Theater in Sikyon.

Name der Polis

Obwohl Sikyon allein unter diesem Polisnamen in der Geschichte bekannt geworden ist, kann es auf vier weitere Namen und damit Gründungslegenden verweisen:

  • Aigialeia (Pausanias II 5, 6; 6, 5): eine lokale Tradition sah als Gründer und ersten König der Polis Aigialeus an.
  • Mekone (Pausanias II 10, 5): nach einer Legende soll Demeter den Mohn (mekon) dort entdeckt haben.
  • Telchinia (nach Eustathios von Thessalonike und Stephanos von Byzanz): orientiert an den boshaften, zauberkundigen Schmiededämonen (Telchinen), die sonst eher auf Rhodos verortet werden. Ein Telchis oder Telchin erscheint zudem auf der von Pausanias benannten Königsliste (II, 5, 6).
  • Demetrias: bezieht sich auf den hellenistischen Neugründer der Polis, Demetrios I. Poliorketes, nachdem dieser die Siedlung 303 v.Chr. zerstört hatte; der Name scheint von den Bewohnern jedoch bald fallen gelassen und Sikyon wiederaufgegriffen worden zu sein.

Lage

Mit einem Areal von etwa 360 km² verfügte die Sikyonia über ein relativ ausgedehntes Gebiet. Im Osten reichte es an die Korinthia (Grenzfluss Nemea), im Westen an Pellene (Grenzfluss Sythas). Im Süden und Südwesten verlief die Grenze unbestimmt im Gebirge. Als zweiter größerer Ort ist in der Sikyonia neben Sikyon Titane zu finden.

Die äußerst fruchtbare Küstenebene von mehr als 3,5 km zum Golf von Korinth dürfte in archaischer und klassischer Zeit das Hauptsiedlungsgebiet der Sikyonier gewesen sein (Ansammlung von Dorfsiedlungen). Sie wird abgeschlossen von einem dreieckigen, sich steil aufschwingenden Plateau mit einer Länge von 2,5 km. Dieses bot im Sinne des für die griechischen Poleis charakteristischen Burgberges (Akropolis) einen möglichen Fluchtpunkt und wohl auch das kultische Zentrum. Archäologisch ist dies jedoch nicht nachzuweisen. Die Stadtneugründung in hellenistischer Zeit war wohl auf den Burgberg konzentriert.

Auch der Hafen lag von der eigentlichen Polis getrennt. Da es an der Küste keine natürliche Bucht oder einen sicheren Ankerplatz gibt, wurde er künstlich angelegt und befestigt (Xenophon, Hell. VII 3, 2; 4, 1) an der Mündung des Asopos oder des Helisson, der beiden Flüsse, die die fruchtbare Ebene eingrenzen.

Landwirtschaft, Kunst und Handel

Die Küstenebene zum Golf von Korinth ist eines der ertragreichsten Gebiete des Peloponnes. Neben Getreide-, Wein-, Rosinen- und Gemüseanbau bestanden bedeutende Olivenkulturen. Besonders eine ausgeprägte Pferdezucht – das Luxusobjekt der Antike –, die bis ins 4. Jahrhundert betrieben wurde, verdeutlichen den scheinbaren Überfluss (Homer, Ill. XXIII, 293-299). Entsprechend sind in der Königsliste des Pausanias mehrere Namen mit einer hippo-Komponente zu finden. Kleisthenes von Sikyon (Herodot VI 126, 2) und Myron I. werden als erfolgreiche Ausstatter von Viergespannen bei den Olympischen Spielen benannt.

In den südlichen Bergen der Sikyonia wurde Holz für Schiffe und Bauten – etwa dem Wiederaufbau des Tempels in Delphi – geschlagen. Die Fischerei Sikyons war berühmt für einen besonderen Meeraal und dessen Zubereitung.

Hauptindustrie der Polis stellten jedoch die Metallverarbeitung (Bronze), das Kunstgewerbe und die Töpferei dar. Der eigentliche Ruf Sikyons beruhte auf der Vasenmalerei und der Bildhauerkunst. So sollen im 6. Jahrhundert v. Chr.die kretischen Künstler Dipoinos und Skyllis (Arbeiten aus Marmor, Holz und Elfenbein) in der Polis gewirkt haben. In der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts v.Chr. wurde die Stadt durch die Tätigkeit des Kanachos und Aristokles zu einem Hauptsitz der Bildhauerei und des Erzgusses mit weit überregionaler Bedeutung. Um 450 v. Chr. begründete der Erzgießer Polyklet von Argos den Ruhm der sikyonischen Schule, als deren Höhepunkt in der Bronzetechnik Lysipp im 4. Jahrhundert v. Chr. gesehen wird.

Bezüglich der Entwicklung der Malerei wurden in Sikyon durch Timanthes und Eupompos weitreichende Impulse gesetzt. Letzterer richtete eine Malerakademie ein, der Pamphilos und Pausias angehörten.

Ein etwas skurrilerer, aber berühmter Exportartikel der Polis waren luxoriöse Schuhe für Frauen.

Fasst man die Ausprägung der Wirtschaft des Stadtstaates zusammen, kann von einem regen, wenn auch nicht bedeutenden Handel ausgegangen werden.

Bevölkerung

Zur Zeit des Übergangs von der archaischen zur klassischen Zeit dürfte die Bevölkerung Sikyons wohl 15-20.000 Personen umfasst haben. Dem entsprechen eine herunterzurechnende Führungsschicht von etwa 180-200 Personen, eine Wehrkraft von 1.800-2000 Hopliten und etwa 3.600–4.000 Bürger (Lit.: Ruschenbusch). Ganz allgemein ist von der für die Poleis charakteristischen Durchmischung von Männern, Frauen, Kindern, freien Fremden, Abhängigen und Sklaven auszugehen, innerhalb derer die vollberechtigten Bürger, abgestuft nach Besitz, die Herrschaftsträger darstellten. Indirekt ist die Polis vor allem durch zwei adelige Einzelpersönlichkeiten bekannt geworden, durch Kleisthenes von Sikyon und Euphron von Sikyon.

Die Geschichte der Polis

Frühgeschichte

Der Beginn der Geschichte Sikyons ist mythenhaft verklärt. Als erster König wird in der Ilias Adrastos genannt. Ein Myron von Sikyon wird für die 33. Olympiade (angeblich 648 v.Chr.) als erster Sieger aus einem großen Adelsgeschlecht in einem Rennen mit dem Viergespann aufgeführt.

In der folgenden Zeit soll sich eine Dynastie der Orthagoriden etabliert haben, an deren Ende Kleisthenes von Sikyon (erste Hälfte des 6. Jahrhunderts v.Chr.) steht. Als seine Vorfahren werden Aristonymos, Myron und Andreas aufgezählt. Es tritt dabei ein häufig beobachtbares Phänomen zutage: Je jünger die Quellen sind – sie liegen teils mehrere Jahrhunderte hinter den Ereignissen zurück –, um so anschaulicher, detaillierter und ausführlicher werden Geschichten zu Personen überliefert, Geschichten, die aber meist der historischen Substanz entbehren und daher wohl unglaubwürdig sind.

Der Tyrann Kleisthenes von Sikyon ist damit die erste historisch glaubwürdige Gestalt und wird durch Herodot (V, 126-130) näher charakterisiert. Nicht zuletzt auch weil er der Großvater des Alkmeoniden Kleisthenes von Athen ist, ist sein Name vor allem mit der Umbenennung von Phylen verknüpft. Interpretiert werden kann seine Maßnahme als Abgrenzung Sikyons gegenüber den Vormachtsansprüchen der Nachbarpolis Argos. Auch kann sich hinter der Aktion eine innere Neuorganisation der Polis verbergen, die auf eine verbesserte Wehrfähigkeit abgezielt hat. Nicht nachweisbar ist aber ein Kampf der Bürger innerhalb der Polis, nach der die in der mythischen Zeit der dorischen Wanderung entstandenen dorischen Phylen abgewertet oder gar gedemütigt und eine nichtdorische vierte als vorherrschende aufgewertet worden ist. Allenfalls kann von dem Versuch des Tyrannen ausgegangen werden, durch eine Neustrukturierung der Phylen alte gewachsene Bindungen der Bevölkerung an führende Adelige zu zerbrechen und gegen diese neue Machtverhältnisse zu seinen Gunsten zu erreichen.

Fragwürdig sind zudem die Geschehnisse um und die Teilnahme von Kleisthenes von Sikyon am sogenannten Ersten Heiligen Krieg um Delphi (um 591 v.Chr.).

Sikyon im 5. und 4. Jahrhundert v.Chr.

Nach der Rückbenennung der Phylen 60 Jahre nach dem Tod des Kleisthenes von Sikyon (um 496 / 495 v.Chr.) taucht Sikyon in einer Koalition mit Sparta und Aigina gegen Argos auf (Schlacht bei Sepeia, 494 v. Chr.). Beitrag der Polis sind dabei vor allem Kriegsschiffe, Trieren. Aus der gleichen Zeit sind aber auch Geldzahlungen an Argos bekannt; insgesamt zeigt sich Sikyon jedoch als treuer Bündner Spartas.

Während des gesamten 5. Jahrhunderts v.Chr. ist Sikyon an allen großen politischen und militärischen Geschehnissen beteiligt: den Perserkriegen, dem Peloponnesischen Krieg und den Korinthischen Kriegen. In der Abwehr des Xerxes-Zuges ist die Polis bei Salamis mit fünfzehn Trieren und bei Platää mit 3.000 Hopliten beteiligt. Entsprechend wird Sikyon auf der zu Ehren des Sieges über die Perser errichteten Schlangensäule an fünfter Stelle nach Sparta, Athen, Korinth und Tegea genannt.

Als Bündner Spartas während des Peloponnesischen Krieges stellt Sikyon immer wieder Kriegsschiffe und Hopliten zur Verfügung. Die Polis tritt als Kontrollmacht des nördlichen Peloponnes auf und ist gegen den Attisch-Delischen Seebund sowie gegen Argos ausgerichtet.

Im Korinthischen Krieg wird Sikyon vor der Schlacht am Nemeafluss (394 v. Chr.) Sammelpunkt der Spartaner und ihrer Bündner. Mit dem Aufstieg Thebens unter Epameinondas (Niederlage Spartas in der Schlacht bei Leuktra (371 v. Chr.) findet dann doch ein Wechsel der Sikyonier auf thebanische Seite statt (369 v. Chr.).

Die Folgezeit

Die Zerstörung Korinths 146 v. Chr. brachte Sikyon einen Landzuwachs und den Vorsitz bei den Isthmischen Spielen; dennoch war es zu Ciceros Zeiten bereits verschuldet. Im der römischen Kaiserzeit wurde es von den wiederaufgebauten Städten Korinth und Patrae in den Schatten gestellt; zu Pausanias’ Zeiten (150) war es fast verwüstet. In byzantinischer Zeit wurde Sikyon Bischofssitz und wurde, seinem späteren Namen Hellas nach zu urteilen, im 8. Jahrhundert n. Chr. Zufluchtsort für Griechen auf der Flucht vor slawischen Einwanderern.

Das Dorf Vasiliko, das heute am gleichen Platz steht, ist bedeutungslos.

Butades von Sikyon

Liste der Könige von Sikyon

Literatur

  • Hans-Joachim Gehrke: Jenseits von Athen und Sparta. Das dritte Griechenland und seine Staatenwelt. Beck, München 1986, S. 138-140. ISBN 3-406-31537-2
  • Audrey Griffin: Sikyon. Clarendon Press, Oxford 1982, ISBN 0-19-814718-X
  • Konrad H. Kinzl: Betrachtungen zur Älteren Tyrannis. In: ders. (Hrsg.): Die Ältere Tyrannis bis zu den Perserkriegen. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 1979, S. 298–325. (englische Übersetzung)
  • Eberhard Ruschenbusch: Untersuchungen zu Staat und Politik in Griechenland vom 7.–4. Jahrhundert v. Chr. Aku Fotodr. und Verl., Bamberg 1978.
  • Charles H. Skalet: Ancient Sicyon with a Prosopographia Sicyonia. Johns Hopkins Press, Baltimore 1928.

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