Justinian II.

Auf der Rückseite dieses Solidus, der während der zweiten Regierungszeit Justinians geprägt wurde, trägt dieser einen patriarchalen Globus mit der Aufschrift PAX (Frieden). Auf der Vorderseite ist Jesus abgebildet.. Bild von http://www.cngcoins.com

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Justinian II. (Ιουστινιανός Β') (* 668/669; † 711 in Damatrys in Bithynien) mit dem Beinamen Rhinotmetos („mit der abgeschnittenen Nase“) (Ῥηνότμητος) war byzantinischer Kaiser (685–695 und 705–711).

Justinian war der ältere der beiden Söhne des wegen seiner überragenden militärischen Erfolge populären Kaisers Konstantin IV. Konstantin hatte zwei jüngere Brüder, denen er die Nasen abschneiden ließ, um sie nach damaligem Brauch für die Kaiserwürde zu disqualifizieren und so seine Alleinherrschaft und die Thronfolge seines Sohnes zu sichern. Als Konstantin 685 im Alter von etwa 33 Jahren an Dysenterie starb, konnte der etwa sechzehnjährige Justinian problemlos den Thron besteigen.

Außen- und Siedlungspolitik

Dem neuen Herrscher stellten sich zwei Hauptaufgaben: die Eindämmung des anhaltenden arabischen Expansionsdrangs und die Notwendigkeit drastischer Maßnahmen gegen die gefährliche Entwicklung der demographischen Verhältnisse (kriegsbedingte Entvölkerung strategisch wichtiger Regionen, slawische und bulgarische Besiedlung der bereits Sklavinia genannten Gebiete südlich der Donau). Diesen Herausforderungen wollte er durch eine Kombination von militärischem Vorgehen mit einer großangelegten Umsiedlungspolitik begegnen. Dabei erzielte er aber nur Teilerfolge. Mit dem Kalifen Abd al-Malik einigte er sich auf gemeinsame Herrschaft über Zypern und hälftige Teilung der dortigen Steuereinkünfte.

Nach einem erfolgreichen Feldzug gegen die Slawen 688 siedelte Justinian Zehntausende von unterworfenen Slawen als Wehrbauern im Thema (Militärbezirk) Opsikion in Kleinasien an. Diese neuen Soldaten sahen aber keinen Grund zur Loyalität und liefen zu den Arabern über. Dadurch erlitten die Byzantiner 692 bei Sebastopolis eine schwere Niederlage; sie mussten bisher von ihnen beherrschte Teile Armeniens räumen.

Mit der Übersiedlung eines großen Teils der christlichen Mardaïten aus dem Libanon ins byzantinische Gebiet konnte Justinian entvölkerte Gebiete stärken, entlastete aber zugleich den arabischen Feind, dem mardaïtische Widerstandskämpfer erhebliche Schwierigkeiten bereitet hatten. Außerdem holte er Bewohner Zyperns aufs Festland und siedelte sie in einer neuen Stadt (Nea Justinianoupolis) an, doch kehrten die meisten nach wenigen Jahren zurück.

Religionspolitik

691 berief der Kaiser ein Konzil ein, das Quinisextum oder Trullanum II, das als Ökumenisches Konzil gedacht war. Mit den Konzilsbeschlüssen, die das Staatskirchenrecht erneuern und vereinheitlichen sollten, wollte er Unterschiede zwischen der östlichen und der westlichen Kirche durch ein Machtwort beseitigen. Papst Sergius I. verweigerte jedoch seine Zustimmung. Nach der Darstellung des Liber Pontificalis wollte Justinian den Papst verhaften und nach Konstantinopel bringen lassen; der byzantinische Beauftragte scheiterte jedoch am entschlossenen Widerstand der Römer und papsttreuer Milizen. Diese Schilderung aus päpstlicher Sicht mag übertrieben sein, doch endete der Konflikt offenbar mit einem Fehlschlag der Kirchenpolitik Justinians. Im Ergebnis wurden die Gegensätze nicht beseitigt, sondern verschärft.

Innenpolitik und Sturz

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Als Verdienste Justinians werden das Bauerngesetz (nómos georgikós) und eine Steuerreform betrachtet. Allerdings ist unklar, ob das dem Schutz des Eigentums freier Bauern dienende Bauerngesetz eine legislative Neuerung Justinians oder nur eine Aufzeichnung von damals bereits geltendem Recht war. Die Steuerreform (Abschaffung des spätantiken Steuersystems und Einführung einer Herdsteuer) war zwar sinnvoll, verschaffte dem Kaiser aber keine Popularität im Volk. Bei den Vornehmen und Wohlhabenden machte er sich durch eine rücksichtslose Steuereintreibung verhasst, wobei auch gefoltert wurde. Sein großer Geldbedarf hing unter anderem mit kostspieligen Bauprojekten zusammen, mit denen er seinem Vorbild Justinian I. nacheiferte. So zerbröckelte seine Machtbasis, und 695 gelang es seinen Gegnern, durch eine Intrige eine Revolution der hauptstädtischen Bevölkerung auszulösen. Es wurde behauptet, der Kaiser wolle den Patriarchen ermorden lassen und in Konstantinopel ein Massaker veranstalten. Dieses haltlose Gerücht wurde sofort geglaubt, da das Volk dies dem Kaiser ohne weiteres zutraute. Justinian wurde festgenommen, im Hippodrom öffentlich durch Abschneiden der Nase verstümmelt und nach Cherson auf der Krim (in der Nähe des heutigen Sewastopol) verbannt.

Exil, Rückkehr und zweite Regierungszeit

Aus Cherson flüchtete Justinian ins Reich der Chazaren und heiratete eine Schwester des dortigen Herrschers. Als die Byzantiner auf seine Auslieferung oder Tötung drängten, floh er zu den Bulgaren und verbündete sich mit deren Khan Tervel. 705 konnten Justinian und Tervel mit einem bulgarischen Heer Konstantinopel durch Überrumpelung mühelos einnehmen, wobei Justinian durch einen Aquädukt in die Stadt eindrang. So bestieg Justinian zum zweiten Mal den Thron. Nun entfaltete er ein Terrorregime mit Massenhinrichtungen. Die ehemaligen Kaiser Leontios (695–698) und Tiberios II. (698–705) wurden nach einer eindrucksvoll inszenierten öffentlichen Demütigung hingerichtet, der Patriarch Kallinikos I. wurde abgesetzt und geblendet. Unklar sind die Hintergründe einer byzantinischen Strafexpedition gegen die eigene Exarchatshauptstadt Ravenna. Infolge dieser Schwächung des Reichs konnten die Araber vordringen.

Als 711 die zu einer Strafexpedition nach Cherson entsandte Flotte revoltierte und nach Konstantinopel segelte, konnten die Aufständischen die Hauptstadt mühelos einnehmen, denn Justinian hatte keine Verteidiger mehr. Vergeblich versuchte Justinian von Kleinasien aus mit Unterstützung von Truppen Tervels Widerstand zu mobilisieren. Er wurde kampflos gefangengenommen und geköpft. Sein Kopf wurde nach Rom und Ravenna geschickt und dort ausgestellt. Man tötete auch seinen einzigen Sohn, den sechsjährigen Thronfolger Tiberios.

Gesamtwürdigung

Alle byzantinischen Geschichtsschreiber beurteilen die Regierung Justinians sehr negativ. Die Chroniken spiegeln die Haltung der vornehmen und wohlhabenden Kreise, die unter der Steuereintreibung des Kaisers gelitten hatten, und seiner ihm feindlichen Nachfolger. Wegen dieser Einseitigkeit sind ihre Berichte nur begrenzt glaubwürdig. Allerdings vermitteln auch westliche Quellen ein sehr ungünstiges Bild. Vor allem wird Justinian Rachsucht vorgeworfen und die große Zahl der von ihm angeordneten Hinrichtungen betont, wobei manche Angaben übertrieben sind.

Jedenfalls muss man auch von einem unbefangenen Standpunkt aus feststellen, dass Justinian in beiden Regierungszeiten durch eigenes Versagen katastrophal gescheitert ist. Beim Tode seines Vaters hatte er eine innen- und außenpolitisch vorteilhafte Lage vorgefunden, das Ansehen der Dynastie war hoch. Mit seiner Schroffheit und der Härte seiner Maßnahmen schuf er sich unzählige Feinde. Zum Verhängnis wurde ihm seine Unfähigkeit, Konsens aufzubauen und die Loyalität der von seinen Anordnungen Betroffenen zu gewinnen. Bezeichnenderweise vollzog sich sein Sturz sowohl 695 als auch 711 schnell und kampflos. In beiden Krisen wandten sich die Massen gemeinsam mit den Vornehmen sofort gegen ihn, und niemand wollte für ihn kämpfen.

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Seine Fähigkeit, als verstümmelter und bereits allgemein verhasster Flüchtling ausländische Unterstützung zu mobilisieren und die Macht erneut zu erlangen, zeugt von seiner außerordentlichen Tatkraft, die zwar Staunen erregt, aber seinen Mangel an Weitsicht nicht kompensieren konnte.

Nachdem sich in diesem Fall gezeigt hatte, daß das Abschneiden der Nase als Disqualifizierung nichts nützte und auch ein Verstümmelter regieren konnte, wurde diese zuvor beliebte Maßnahme von den Byzantinern aufgegeben.

Literatur

  • Constance Head: Justinian II of Byzantium, Madison 1972, ISBN 0-299-06030-6.
  • Andreas N. Stratos: Byzantium in the Seventh Century, Bd. 5, Amsterdam 1980, ISBN 90-256-0852-3.


Vorgänger Konstantin IV.
Kaiser von Byzanz 685-695
Nachfolger Leontios

Vorgänger Tiberios II.
Kaiser von Byzanz 705-711
Nachfolger Philippikos