|
Die menschlichen Proportionen nach Vitruv – Skizze von Leonardo da Vinci Marcus Vitruvius Pollio (auch: Vitruv oder Vitruvius) war ein römischer Architekt, Ingenieur und Schriftsteller des 1. Jh. v. Chr. Leben Über das Leben Vitruvs gibt es nur spärliche Angaben. Weder die genauen Lebensdaten noch sein vollständiger Name sind gesichert. Einig ist man sich über das nomen Vitruvius, dagegen ist das praenomen Marcus ebenso fraglich wie das cognomen Pollio, das ausschließlich von Cetius Faventinus erwähnt wird. Die meisten biographischen Daten sind Vitruvs eigenem Werk entnommen und somit recht verlässlich. Er wurde wahrscheinlich um 80-70 v. Chr. als freier römischer Bürger in Kampanien geboren. Als junger Mann genoss er nach eigenen Angaben eine Architektenausbildung, die zur damaligen Zeit auch das Ingenieurwesen umfasste. Im Bürgerkrieg zeichnete er unter Cäsar für den Bau von Kriegsmaschinen verantwortlich. Zu seinen Errungenschaften als Architekt gehörten der Bau der Basilika von Fanum und die Konstruktion von Wasserleitungen. Im Alter verlegte er sich auf das Schreiben und profitierte dabei von einer Pension, die ihm Augustus zugestanden hatte, um seine finanzielle Unabhängigkeit zu garantieren. Über das Todesdatum Vitruvs gibt es keinerlei Angaben, was darauf schließen lässt, dass er zu Lebzeiten nur geringe Popularität genoss. Werk Die „Zehn Bücher über Architektur“ (De architectura libri decem) sind das einzige erhaltene antike Werk über Architektur und nach Vitruvs eigenen Angaben auch das erste lateinische Werk überhaupt, das eine umfassende Darstellung der Architektur zum Ziel hat. Die Bücher sind dem Kaiser Augustus als Dank für dessen Förderung gewidmet. Sie weisen den Charakter eines Lehrbuchs mit literarischen Anklängen auf und gehören somit eher dem Sach- als dem Fachbuchgenre an. Die älteste bekannte Abschrift stammt aus dem 9. Jahrhundert, insgesamt sind über 50 Handschriften der „Zehn Bücher über Architektur“ erhalten. Weitere Schriften Vitruvs sind uns nicht bekannt. Entstehungszeit Die einzigen Anhaltspunkte für eine Datierung liefert ebenfalls das Werk selbst. Anhand der Angaben zu einzelnen römischen Bauwerken lässt sich der Beginn der Abfassung in die Zeit vor 33 v. Chr. datieren, während die Schlussredaktion frühestens in die zwanziger Jahre fällt. Aufbau und Inhalt Das Werk umfasst zehn Bücher, die jeweils ein Vorwort mit einer direkten Ansprache an den Kaiser oder einer anekdotenhaften Einführung in das Thema beinhalten. Der Aufbau gliedert sich wie folgt:
Die Bücher 1-7 widmen sich folglich der Tätigkeit des Architekten, während die Bücher 8-10 eher dem Ingenieurwesen zuzurechnen sind. Diese Felder bildeten in der Antike eine Einheit. Für die Ausbildung des Architekten stellt Vitruv einen Kanon auf, der die Schulung in den artes liberales vorsieht. Damit überträgt er die ciceronianische Forderung nach umfassender Bildung des Redners, die ihrerseits auf die von den Griechen vertretene Notwendigkeit einer enkyklios paideia (εγκυκλιος παιδεια) zurückgeht, auf sein eigenes Fachgebiet. Der entsprechende Terminus findet sich in seinem Werk in der Übersetzung encyclios disciplina wieder. Gemäß den Vorschlägen der Sophisten rechnet Vitruv unter anderem die Philosophie zu den Fachgebieten, in denen ein Architekt bewandert sein sollte. Vitruv erklärt zudem in seinem Werk Lehrsätze von Platon und Pythagoras und beschreibt, wie Archimedes das nach ihm benannte Prinzip fand und zu welchen Ergebnissen Eratosthenes und Archytas bei Erdvermessungen gekommen sind. Quellen Die „Zehn Bücher über Architektur“ bieten die erste umfassende Behandlung der antiken Technik (Zeitmessung, Baumaschinen, Wasserräder, Kriegsmaschinen), Architektur und Raumgestaltung. Zuvor dürfte es lediglich knappe Kompendien sowie Abhandlungen zu Einzelfragen gegeben haben. Vitruv konnte dank seiner langjährigen Tätigkeit aus einem reichen Erfahrungsschatz schöpfen. Daneben benutzte er zahllose griechische Quellen, die uns durch einen dem Werk beigefügten Katalog bekannt sind. In seinen Ausführungen über Tempelbau stützte er sich vor allem auf die Schriften Hermogenes' von Alabanda, das Kapitel über Astronomie geht wohl auf den Lehrdichter Aratos zurück. Unter den römischen Autoren ist als Quelle vor allem Varro mit seinen Abhandlungen zur Baugeschichte zu nennen. Stil Die Sprache gilt gemeinhin als umständlich und wenig flüssig. Kennzeichen sind altertümliche Formen, Überfülle des Ausdrucks, grammatische Eigenheiten und gelegentliche Rückgriffe auf die Umgangssprache. Rezeption Abgesehen von vereinzelten Erwähnungen, so bei Frontinus, Faventinus und Plinius dem Älteren, hat Vitruvs Schaffen in der antiken Literatur nur ein geringes Echo hervorgerufen. Sicherlich wird das Werk von den Architekten der Kaiserzeit als Handbuch genutzt worden sein, doch verhinderten die Beschränktheit des Themas und die Sprödheit der Sprache eine größere Popularität des Autors. Größere Bekanntheit erlangte Vitruv erst in späterer Zeit, besonders in der Renaissance. Durch Gianfrancesco Poggio Bracciolini, der die Schrift im 15. Jahrhundert wiederentdeckte, wurde eine neue Stilrichtung der Architektur beeinflusst, die sich die Antike zum Vorbild nahm. 1547 erschien in Paris ein Übersetzung von Jean Martin. Im 18. Jahrhundert griff François de Cuvilliés der Jüngere den Titel für sein Lehrbuch Vitruve Bavarois auf. Eine zentrale Passage in Vitruvs Abhandlung stellt die Theorie des wohlgeformten Menschen (homo bene figuratus) vor. Anhand geometrischer Formen werden die Proportionen des Menschen zueinander beschrieben. Dies inspirierte mehrere Künstler der Renaissance zu Skizzen, unter anderem auch Albrecht Dürer. Die berühmteste Illustration stammt von Leonardo da Vinci und erlangte unter dem Namen "Der vitruvianische Mensch" Berühmtheit. Literatur
Weblinks Literatur von und über Vitruv im Katalog der DDB Lateinischer Text mit englischer Übersetzung Personendaten NAME Vitruv Marcus Vitruvius , Pollio, Beat Wyss, Baukunst, 2 Bde. Bücher I - X, Birkhäuser Verlag , 1995, ISBN: 3764355182
Von "http://de.wikipedia.org/"
|
<@=@=@> |