Severus Alexander

Severus Alexander, Büste im Louvre

Severus Alexander (* 1. Oktober 208 in Arca Caesarea, Arqa im heutigen Libanon; † wohl 19. März 235 in Mainz-Bretzenheim) war von 222 bis zu seinem Tod römischer Kaiser. In älterer Literatur wird er oft Alexander Severus genannt. Sein ursprünglicher Name war Gessius Alexianus Bassianus. Als Caesar nannte er sich ab Juni 221 Marcus Aurelius Alexander, als Kaiser Marcus Aurelius Severus Alexander.

Alexander war der letzte Kaiser aus der Dynastie der Severer, die mit ihm ausstarb. Er wurde als Dreizehnjähriger von seinem nur vier Jahre älteren Vetter, Kaiser Elagabal, zum Caesar erhoben und damit zum Nachfolger bestimmt; im folgenden Jahr trat er die Herrschaft an. Zeit seines Lebens stand er unter dem dominierenden Einfluss seiner Mutter Julia Mamaea, die die eigentliche Herrscherin war.

Herkunft

Alexander war von mütterlicher wie von väterlicher Seite syrischer Herkunft. Sein Vater, der Procurator Gessius Marcianus, war ein Ritter aus Alexanders Geburtsstadt Arca; er starb wohl schon vor der Erhebung seines Sohnes zum Kaiser. Seine Mutter Julia Mamaea war die jüngere der beiden Töchter der Julia Maesa, der Schwester der Kaiserin Julia Domna. Diese Familie stammte aus der syrischen Stadt Emesa (heute Homs) und war dort sehr angesehen. Julia Domna war die Frau des Kaisers Septimius Severus (193–211), der die Dynastie gegründet hatte. Alexander war also kein Nachkomme des Dynastiegründers, sondern nur von dessen Schwägerin.


Wirren von 217/218

Am 8. April 217 wurde Kaiser Caracalla, der Sohn des Septimius Severus, ermordet. Nachfolger wurde sein Prätorianerpräfekt Macrinus, der an dem Mordkomplott beteiligt war. Dies bedeutete einen Dynastiewechsel und für Alexanders Familie die Vertreibung aus dem Machtzentrum. Da die männliche Nachkommenschaft des Kaisers Septimius Severus nun ausgestorben war, wollte Alexanders Großmutter Maesa ihren eigenen Nachkommen die Kaiserwürde verschaffen. Elagabal, der vierzehnjährige Sohn von Alexanders Tante Julia Soaemias, der älteren Schwester seiner Mutter, wurde im Jahr 218 zum Kaiser ausgerufen, und seine Anhänger konnten sich militärisch gegen Macrinus durchsetzen. Daraufhin begab sich Maesa mit ihren Töchtern und ihren Enkeln Elagabal und Alexander nach Rom, wo sie für den jugendlichen Elagabal die Regierung führte.


Aufstieg zur Macht

Bald erwies sich der jugendliche Kaiser Elagabal als eigenwillig und beratungsresistent und machte sich allgemein verhasst. Dadurch entstand eine sehr gefährliche Krise, die sich 220/221 zuspitzte. Daher begann Alexanders Großmutter Maesa zusammen mit seiner Mutter Mamaea, Alexander als Nachfolger Elagabals aufzubauen. Der neue Hoffnungsträger wurde als unehelicher Sohn Caracallas ausgegeben und erhielt 221 die Caesarwürde; außerdem musste Elagabal ihn adoptieren und so zum Nachfolger bestimmen. Der Kaiser erkannte die Gefahr, die ihm von seinem Vetter Alexander drohte, und versuchte wiederholt, diesen umzubringen. So entwickelte sich zwischen den beiden Rivalen und ihren Müttern ein Existenzkampf, in dem Maesa auf der Seite Mamaeas stand. Meuternde Soldaten, die von Mamaea gesteuert wurden, ermordeten Elagabal am 11. März 222. Der dreizehnjährige Alexander übernahm problemlos die Kaiserwürde.


Innenpolitik

Zunächst führten Maesa und Mamaea gemeinsam die Regierung. Außerdem wurde ein Beratergremium von 16 angesehenen Senatoren eingesetzt. Maesa war betagt und starb wohl im Jahre 224. Von da an war Mamaea faktisch Alleinherrscherin und gab die Macht bis zum Schluss nicht mehr auf. Sie ließ Alexander sorgfältig erziehen, überließ ihm aber keine Entscheidungsbefugnisse. Sie bemühte sich um ein gutes Verhältnis zum Senat, machte anstößige Maßnahmen Elagabals umgehend rückgängig und pflegte demonstrativ traditionelle römische Tugenden und Werte.


Meuterei der Prätorianer

Die Hauptschwäche der Regierung Alexanders bzw. Mamaeas war das Fehlen einer eigenen Machtbasis, woraus sich eine Abhängigkeit vom Wohlwollen der Prätorianer ergab. Das Ausmaß des aus dieser Schwäche resultierenden Autoritätsverfalls trat schon 223 in der Prätorianerkrise dramatisch zutage. Mamaea hatte 222 dem bedeutenden Juristen Ulpian das Oberkommando über die Prätorianer anvertraut. Aus geringfügigem Anlass entwickelten sich dreitägige Straßenkämpfe zwischen den Prätorianern und der Bevölkerung. Ulpian konnte einen Machtkampf mit seinen Untergebenen, den Prätorianerpräfekten Julius Flavianus und Geminius Chrestus, für sich entscheiden; die beiden Präfekten wurden hingerichtet. Als aber im folgenden Jahr die Prätorianer meuterten, musste Ulpian in den Kaiserpalast flüchten. Dort konnte ihn Mamaea nicht schützen; in ihrer und Alexanders Anwesenheit wurde er von den Prätorianern ermordet.


Heirat

Orbiana

Mamaea suchte für Alexander die Patrizierin Orbiana als Ehefrau aus, die aus einer vornehmen, aber politisch unbedeutenden Familie stammte. Die im Jahre 225 geschlossene Ehe blieb kinderlos und hielt nicht lange, denn Mamaea geriet in einen Konflikt mit ihrer Schwiegertochter und deren Vater und erzwang 227 die Scheidung. Orbiana wurde nach Afrika verbannt, ihr Vater Seius Sallustius, der versucht hatte, die Prätorianer gegen Mamaea aufzuwiegeln, wurde hingerichtet. Diesmal erwiesen sich die Prätorianer als loyal, doch wagte es Mamaea nach dieser Erfahrung nicht, ihren Sohn erneut zu verheiraten. Daher fehlte es an einer Nachfolgeregelung, was nicht zur Stabilität beitrug.

Der Geschichtsschreiber Herodian berichtet, dass Alexander eigentlich auf der Seite seiner Frau und seines Schwiegervaters stand, aber seiner Mutter nicht zu widersprechen wagte. Ob dies zutrifft, ist ungewiss.


Religionspolitik

Gegenüber den Christen, die schon unter Elagabal nicht verfolgt worden waren, war die Regierung Alexanders bzw. seiner Mutter tolerant. Mamaea stand mit dem prominenten Christen Origenes in Kontakt, aber die Behauptungen christlicher Quellen des 4. und des 5. Jahrhunderts, ein Teil der Umgebung des Kaisers oder gar die Kaiserinmutter selbst sei christlich gewesen, sind nicht glaubwürdig. Anscheinend neigten Mamaea und Alexander zum Synkretismus, zur Vermischung verschiedener Religionen. Die erst im 4. Jahrhundert auftauchende Behauptung, Alexander habe in einer privaten Kultstätte neben den vergöttlichten Kaisern unter anderen auch Christus, Abraham und Orpheus verehrt, wird von der Forschung sehr skeptisch betrachtet.


Militär- und Außenpolitik

Eine so labile Regierung musste bestrebt sein, außenpolitische Verwicklungen zu vermeiden. Dennoch kam es zu zwei großen militärischen Konflikten, da Gegner diese Schwäche erkannten und zu Angriffen nutzten.


Perserkrieg

Im Osten hatte Ardaschir I., ursprünglich ein persischer Vasall des Partherreichs, in den zwanziger Jahren die letzten Partherkönige (Arsakiden) besiegt und das persische Sassanidenreich gegründet. 230 oder 231 drang ein persisches Heer in die römische Provinz Mesopotamia ein und belagerte Nisibis. Syrien und Kappadokien waren bedroht. Mamaea und Alexander mussten im folgenden Jahr Rom verlassen, um den Gegenangriff zu leiten. Auf die an der Ostgrenze stationierten Truppen, die bei einer Meuterei ihren Befehlshaber Flavius Heracleo getötet hatten, war wenig Verlass; ihre Disziplin und Kampfmoral war offenbar schlecht.

Die römische Gegenoffensive wurde 232 in drei Kolonnen vorgetragen. Sie zielte auf die Zentren des Perserreichs, die Städte Ktesiphon und Seleukia am Tigris. Der nördliche Heeresteil drang über Armenien vor und wurde dabei von den dortigen Parthern unterstützt. Der Kaiser marschierte mit dem Zentrum der römischen Streitmacht über Palmyra in Richtung der von Sassanidengegnern kontrollierten Stadt Hatra, die südliche Abteilung bewegte sich dem Euphrat entlang vorwärts. Vom Verlauf der Kämpfe vermitteln die Quellen kein klares und stimmiges Bild. Anscheinend war das römische Oberkommando von der Aufgabe, die anspruchsvolle Strategie mit getrennt marschierenden Heeresteilen plangemäß umzusetzen, überfordert. Offenbar erlitten beide Seiten sehr schwere Verluste und büßten dadurch die Fähigkeit ein, weiterhin offensiv vorzugehen.

Im Ergebnis lief dies auf einen römischen Sieg hinaus, da der persische Angriff damit abgewehrt war und keine Gebietsverluste hingenommen werden mussten. Ein Friede wurde nicht geschlossen, weitere Kampfhandlungen unterblieben wegen Erschöpfung. 233 kehrten Mamaea und Alexander nach Rom zurück, wo ein Triumph gefeiert wurde. Es gibt allerdings Indizien dafür, dass die Sassaniden bereits 235/36 wieder in das römische Mesopotamien einfielen.


Germanenfeldzug und Sturz

Wegen der durch den Perserkrieg bedingten Entblößung der Rhein- und der Donaugrenze hatten 233/234 Germanen (Alamannen) größere Beutezüge unternehmen und Befestigungsanlagen zerstören können. Die Lage war so bedrohlich, dass Mamaea und Alexander sich an die Front begeben mussten, da sie offenbar niemand das Oberkommando anvertrauen konnten. Das römische Hauptquartier befand sich in Mainz.

Die Herrschaft des inzwischen sechsundzwanzigjährigen Kaisers, der faktisch wie ein Unmündiger von seiner Mutter kontrolliert wurde, war in diesen Kriegszeiten besonders gefährdet, da er von den Soldaten nicht respektiert wurde und Mamaea als Frau an der Front keine Autorität hatte. Unter diesen Umständen war für tüchtige und beliebte Kommandeure die Versuchung zum Staatsstreich groß, zumal es keinen Thronfolger gab. Im Osten war es anscheinend bereits zur Erhebung des Gegenkaisers Taurinus gekommen, die jedoch folgenlos blieb, da der Usurpator im Euphrat ertrank.

Eine weitere Gefahr lag darin, dass Caracalla das Militär finanziell verwöhnt hatte. Die durch solche Großzügigkeit anfallenden Zusatzkosten waren auf die Dauer nicht tragbar, zumal Mamaea zur Überwindung der Wirtschaftskrise eine Steuersenkungspolitik eingeleitet hatte. Sie sparte konsequent und war daher als knauserig verhasst. Zurückhaltung bei den Sonderzuwendungen (Donativen) musste bei der Truppe zu einer explosiven Stimmung führen, besonders wenn außerdem Kampferfolge ausblieben und der Kaiser eine unsoldatische Haltung zeigte. Letzteres war bei Alexander in hohem Maße der Fall. Die Kombination all dieser Faktoren führte zur Katastrophe.

Angesichts dieser prekären Lage versuchte Mamaea mit den Germanen zu verhandeln. Sie wollte mit einer Zahlung den Frieden erkaufen. Dies erbitterte die Soldaten, denen die erhofften Zuwendungen verweigert wurden, zusätzlich. Bei einem Regierungswechsel konnten sie mit finanzieller Großzügigkeit des neuen Herrschers rechnen. Daher erhoben sie den für die Rekrutenausbildung zuständigen Offizier Maximinus Thrax zum Kaiser. Maximinus versprach Verdoppelung des Solds, eine üppige Sonderzuwendung und Amnestie bei allen Disziplinarstrafen.

Es gelang Alexander nicht, loyale Einheiten zum Widerstand zu motivieren; niemand wollte für ihn und seine Mutter kämpfen. Auf Befehl des Maximinus wurden Mamaea und Alexander im März 235 in Bretzenheim (heute ein Stadtteil von Mainz) ermordet. Über beide wurde die damnatio memoriae verhängt. Damit endete die Dynastie der Severer. Die Zeit der folgenden Herrscher wird als Epoche der Soldatenkaiser bezeichnet.

Der Geschichtsschreiber Herodian beschreibt die Umstände von Alexanders Sturz und Tod eingehend und rückt dabei die Abhängigkeit des Kaisers von seiner Mutter drastisch ins Blickfeld. Hinsichtlich der Einzelheiten ist mit literarischer Ausschmückung zu rechnen.

Nach dem Tod des Maximinus (238) wurde Alexander nicht nur rehabilitiert, sondern sogar im Rahmen des Kaiserkults zum Gott erhoben.


Julia und Severus Alexander , Latopolis / Ägypten

Quellen

Die Hauptquellen sind die Zeitgenossen Herodian und Cassius Dio sowie die mehr als ein Jahrhundert nach den Ereignissen entstandene Historia Augusta. Cassius Dio war unter Alexander Konsul; er repräsentiert die senatorischen Kreise, aus deren Sicht Mamaeas und Alexanders Bilanz positiv war. Die Verherrlichung Alexanders in der Historia Augusta zeigt ausgeprägt legendenhafte Züge; gesamthaft wird der Wert dieser Quelle von der Forschung als sehr gering veranschlagt. Herodians Glaubwürdigkeit wird von seiner Neigung zu dramatischen Effekten und zum Moralisieren beeinträchtigt.

Insgesamt zeichnen die Quellen ein sehr vorteilhaftes Charakterbild Alexanders, das scharf mit ihren verdammenden Urteilen über seinen Vorgänger und seinen Nachfolger kontrastiert; der letzte Severer erscheint als milder, tugendhafter, gerechter und populärer Herrscher. Die moderne Forschung, die mehr nach politischen und militärischen Leistungen als nach persönlichen Tugenden fragt, betont eher die verhängnisvolle Unselbständigkeit Alexanders, welche die Geschichtsschreiber trotz aller Sympathie für ihn nicht verheimlichen konnten.

Literatur

  • Bruno Bleckmann: Die severische Familie und die Soldatenkaiser. In: Hildegard Temporini-Gräfin Vitzthum (Hrsg.): Die Kaiserinnen Roms. Beck, München 2002, S. 265–339, insbes. S. 279–299, 302, 316, ISBN 3-406-49513-3.
  • Robert Lee Cleve: Severus Alexander and the Severan Women. Los Angeles 1982 (Diss. University of California).
  • Julia Sünskes Thompson: Aufstände und Protestaktionen im Imperium Romanum. Bonn 1990, ISBN 3-7749-2466-X.

Weblinks


Vorgänger Elagabal

Römischer Kaiser

Nachfolger Maximinus Thrax

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