Balkankriege

Als Balkankriege werden zwei Kriege der Völker der Balkanhalbinsel im Vorfeld des Ersten Weltkriegs bezeichnet. Gelegentlich werden auch der Balkankonflikt, Jugoslawienkrieg oder Kosovokrieg als Balkankrieg bezeichnet (siehe unten bei „Dritter Balkankrieg“ Ende des 20. Jahrhunderts).

Erster Balkankrieg 1912

1912 war das Osmanische Reich durch die Revolution der Jungtürken 1907/1908 sowie den Italienisch-Türkischen Krieg 1912 geschwächt. In dieser Situation ergriffen die Balkanbundstaaten Serbien, Griechenland, Montenegro und Bulgarien die Gelegenheit, um die restlichen verbliebenen osmanischen Provinzen auf dem Balkan zu erobern. Am 8. Oktober 1912 erklärte Montenegro der Türkei den Krieg, die Bündnispartner folgten wenige Tage später.

In weniger als zwei Monaten verlor die Türkei fast ihre gesamten europäischen Besitzungen an die Balkanstaaten. Während Griechenland weiterhin Krieg gegen die Türkei führte, schlossen am 3. Dezember Serbien, Montenegro und Bulgarien einen Waffenstillstand mit den Osmanen. Die Friedensbedingungen wurden von der Türkei jedoch als unzumutbar abgelehnt. Zudem kam es in der Türkei Anfang 1913 zu einem Staatsstreich, sodass die Kämpfe wieder auflebten. Am 19. April erreichten die Türken einen erneuten Waffenstillstand.

Unter Vermittlung der europäischen Großmächte wurde am 30. Mai in London der Londoner Vertrag geschlossen, der den Krieg beendete. Die Türken verzichteten auf alle europäischen Gebiete westlich der Linie zwischen Midia am Schwarzen Meer und Enos an der Ägäisküste, die Insel Kreta kam zu Griechenland.

Ein weiteres Resultat des Krieges war die Unabhängigkeit Albaniens (siehe auch Geschichte Albaniens). Sie war von Vertretern der albanischen Nationalbewegung am 28. November 1912 in Vlora ausgerufen worden. Die Sieger des Ersten Balkankriegs waren aber vorläufig nicht bereit, den neuen Staat anzuerkennen. Griechenland, Serbien und Montenegro erhoben Anspruch auf große Teile der albanisch besiedelten Gebiete.

Zweiter Balkankrieg 1913


Die territorialen Veränderungen nach den Balkankriegen, oben Situation Anfang 1913, unten Grenzen nach dem Vertrag von Bukarest

Unstimmigkeiten bei der Verteilung der eroberten türkischen Gebiete, insbesondere von Makedonien, führten schließlich noch im selben Jahr zum Zweiten Balkankrieg. Am 29. Juni 1913 unternahm ein bulgarischer General ohne Befehl einen Angriff auf Serbien. Die bulgarische Regierung bestritt den Vorfall. Am 8. Juli erklärten Serbien und Griechenland gemeinsam Bulgarien den Krieg. Kurz darauf folgten Montenegro und Rumänien sowie auch das Osmanische Reich, das hoffte, dadurch einen Teil seiner im Ersten Balkankrieg verlorenen Gebiete zurückgewinnen zu können.

Angesichts dieser Übermacht blieb Bulgarien nur die Kapitulation. Am 10. August wurde mit dem Frieden von Bukarest ein Friedensabkommen unterzeichnet. Bulgarien musste einen Großteil seiner Gewinne aus dem Ersten Balkankrieg wieder abgeben. Gut 7.500 km² wurden Rumänien zugesprochen. Makedonien wurde fast vollständig unter Griechenland und Serbien aufgeteilt.

Die Folgen Anfang des 20. Jahrhunderts

Die Balkankriege waren Wegbereiter für den etwa ein Jahr später ausgelösten Ersten Weltkrieg. Aus den Friedensverhandlungen ging Serbien als politisch gestärkte Macht hervor. Dies führte zu Spannungen mit dem benachbarten Österreich-Ungarn, das 1908 Bosnien und Herzegowina formlos annektiert hatte. Serbische wie bosnisch-serbische Nationalisten strebten die Verdrängung Österreich-Ungarns vom Balkan an. Am 28. Juni 1914 wurde schließlich der österreichische Erzherzog und Thronfolger Franz Ferdinand bei einem Attentat, welches von Gavrilo Princip, einem jungen Serben, in Sarajevo ausgeführt wurde, ermordet. Das Attentat von Sarajewo gilt als der Auslöser des Ersten Weltkriegs.

Literatur

  • Katrin Boeckh, Von den Balkankriegen zum Ersten Weltkrieg. Kleinstaatenpolitik und ethnische Selbstbestimmung am Balkan, München 1996. Oldenbourg Verlag; ISBN 3-486-56173-1