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Juno und Argus, Peter Paul Rubens, um 1620 Das Gemälde Juno und Argus von Peter Paul Rubens (Öl auf Leinwand, 249 x 296 cm) stammt aus dem frühen 17. Jahrhundert und zeigt eine Szene aus der griechischen Mythologie. Es ist im Kölner Wallraf-Richartz-Museum - Fondation Corboud (Inventar-Nr.: WRM 1040) eines der bedeutendsten Ausstellungsstücke. Beschreibung Man erkennt niedlich-feiste Putten mit einer Haut, die in zahllosen rosafarbenen Abstufungen glänzt. Diese steht im Gegensatz zur fahlen Hautfarbe des Enthaupteten. Und obwohl die Putten mit den Federn des Pfaus spielen und trotz der farbenprächtigen Gewänder der dargestellten Personen handelt es sich um eine grausliche Szene: Akribisch lösen die beiden Frauen mit einer Art Pinzette die Augen aus dem abgeschlagenen Kopf. Hinter der mytologischen Geschichte des Bildes verbirgt sich darüberhinaus ein kunsttheoretischer Gedanke. Bildthema Juno (Hera), die Gattin des Jupiter (Zeus), mit goldenem Diadem gekrönt und intensiv rotem, in zahllosen Farbnuancen leuchtenden Gewand bekleidet, verrichtet diese makabere Arbeit, tatkräftig unterstützt von Iris, der Göttin in Blau. Die hundert Augen des Getöteten, der Argus hieß, werden dann von Juno in den Schwanz ihres Pfaus eingesetzt. Der antike Dichter Ovid überliefert in seinen Metamorphosen die Geschichte, die Peter Paul Rubens dargestellt hat (Ovid, Metamorphosen I, 721-724). Jupiter, der Seitensprüngen nie abgeneigt war, wurde bei einem Treffen mit der schönen Io von seiner Frau Juno überrascht. Gerade noch rechtzeitig verwandelt der Göttervater seine Geliebte in eine schneeweiße Kuh. Auch als Kuh ist sie schön, und Juno muß ihre Schönheit loben. Doch dann erbittet Juno das Tier als Geschenk. Um sich nicht zu verraten, bleibt Jupiter nichts anderes übrig, als ihrem Wunsch zu entsprechen. Juno aber, misstrauisch, fürchtete zu Recht, dass ihr die Kuh entwendet werden könnte und übergibt sie schließlich in die Obhut des Argus. (...), eines besonderen Wesens. Rings um den Kopf hatte er hundert Augen. Von diesen schlossen sich abwechselnd jeweils zwei zur Ruhe, die übrigen gaben acht und blieben auf Wache, schreibt Ovid. Jupiter ist die Situation natürlich unerträglich. So schickt er den schwatzhaften Götterboten Merkur, um Io zu befreien. Merkur nun erzählt Argus mit vielen Worten und ruhiger Stimme lange Geschichten. Und tatsächlich, irgendwann waren sämtliche Augen des Argus vom Schlaf überwältigt, geschlossen. (...) Merkur zückt sein krummes Schwert und schlägt damit Argus - der nickt im Schlaf - dort eine Wunde wo sich das Haupt mit dem Halse verbindet. Auf diesem Bild, das um 1610 entstanden sein dürfte, sind die Göttinnen jetzt damit befaßt, dem toten Argus gleichsam ein Denkmal zu setzen. Auf den Federn des Pfaus sollen Argus’ Augen fortleben. Dem Einsetzen der Argus-Augen in das Gefieder des Pfaus begegnet man in der Kunst nur sehr selten. In der Regel wählten die Künstler den Augenblick vor der Enthauptung. Auch Peter Paul Rubens selbst hat auf einem anderen Gemälde, das er für die Ausstattung eines Lustschlosses des spanischen Königs Philipp IV. geschaffen hat, diesen Moment der Tötung des Argus dargestellt. Das Bild hängt heute im Prado in Madrid, – entstanden ist es um 1636/38. Deutung Was mag nun Peter Paul Rubens bewogen haben, die seltene Szene dieses Bildes auszuwählen? Am Ende des Textes von Ovids heißt es: Erloschen ist das Licht, das in so vielen Augen Dir strahlte! Hundert Augen deckte nun eine Nacht! Die Geschichte dreht sich also auch um das Thema Licht und Dunkel, um Optik. Verfolgen wir diese Gedanken weiter, so fällt auf, dass Rubens "Iris" mit ins Bild setzt, die bei Ovid in der Argus-Geschichte gar nicht vorkommt. Iris ist eine Götterbotin, die Juno zu Diensten steht. Iris heißt, im Griechischen "Regenbogen". Und ein Regenbogen schafft im Bild zwischen der himmlischen und der irdischen Sphäre eine Verbindung. "Iris" nennen wir endlich auch den Teil des menschlichen Auges, der die Pupille umgibt. Auch hier also besteht eine Beziehung zur Optik. Ein Farbakkord beginnt mit gelb/gold rechts im Bilde am Wagen und am Gewand der Juno - bei der Frau auf dem Wagen wird es sich um eine weitere Dienerin Junos handeln. Dann setzt er sich über die große Fläche des intensiven Rots von Junos Gewand fort und führt sodann zum blauen Kleid der Iris. Diesem Akkord begegnet man - durch ergänzte Mischfarben - im Regenbogen wieder. "Blau, Rot, Gelb" sind die zentralen Farben der Farbenlehre, die sich in den Sechs Büchern über die Optik des Antwerpener Jesuitenpaters Franciscus Aguilon findet. Aguilons Buch, in Antwerpen gedruckt, und Rubens’ Bild sind etwa gleichzeitig entstanden. Wie weit sich Rubens und Aguilon kannten, wissen wir nicht, doch feststeht, dass Rubens zu Aguilons Werk das Titelbild entwarf. Es fällt auf - und auch dies gehört zum Bereich optischer Wahrnehmung –, wie brillant es Rubens vermochte, unterschiedlichste Hauttönungen darzustellen. Unzählige Farbnuancen von rosa bis weiß bilden die rosige Haut der Putten und die etwas weißere Haut der Göttinen. Der muskulöse Leichnam des Argus aber hat schon die fahlen Farben des Todes angenommen. Ebenso grandios hat es Rubens vermocht, Stoffe wiederzugeben. Das Licht scheint sich hundertfach in den Gewändern zu brechen. So erzeugen die zahllosen Farbtöne, die virtuos - zum Teil mit dickem Pinselstrich - gesetzt wurden, den Eindruck einer sehr schweren, festen Seide. Rubens theoretisiert also nicht nur über optische Effekte, nein, er setzt sie auch aufs trefflichste in seiner Malerei um. Schließlich seien weitere Bedeutungsebenen des Argus-Mythos nicht verschwiegen, die bei Rubens wenigstens mitschwingen dürften. Der niederländische Kunsttheoretiker Karel van Mander, der 1604 eine damals vielgelesene Auslegung der Metamorphosen Ovids verfasste, interpretierte Argus als den menschlichen Verstand, der der (tierischen) Io beigegeben wird. Der Verstand aber wird durch Merkur in einen wollüstigen Schlaf versetzt und wurde daher verletzlich. In der Emblematik, d. h. in Sinngedichtsammlungen, denen jeweils kleine Illustrationen zur Seite gestellt wurden, findet man ebenfalls die Argus-Geschichte. Dort heißt es zum Beispiel: Niemand ist so wachsam, dass ihn nicht ein süßer Schmeichler unter dem Schein der Freundschaft täuschen könnte. Literatur (Sortierung: jüngste zuoberst)
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