Der Begriff Hellenismus (von griech. hellenismos = Griechentum) bezeichnet die geschichtliche Epoche vom Regierungsantritt Alexanders des Großen von Makedonien 336 v. Chr. bis zur Einverleibung des letzten Diadochenreiches in das Römische Reich 30 v. Chr, in der sich die antike griechische Kultur bis nach Indien ausbreitete. In diesem Sinne wurde er zuerst vom deutschen Historiker Johann Gustav Droysen um die Mitte des 19. Jahrhunderts verwendet; der Begriff hellenismos (im Sinne von Nachahmung des Griechischen) ist jedoch bereits antiken Ursprungs.
Geschichtlicher Grundriss
Weiterführende Informationen zu diesem Thema: Geschichte des Hellenismus
Nach dem Tod Alexanders erhoben sich seine führenden Generäle, die so genannten Diadochen, zu lokalen Machthabern; eine Wiedervereinigung des Alexanderreiches erschien spätestens 301 v. Chr. aussichtslos, als Antigonos I. Monophthalmos in der Schlacht von Ipsos seinen Rivalen unterlag. Die sog. Diadochenkämpfe um Alexanders Erbe endeten schließlich 281 v. Chr. nach insgesamt sechs Kriegen mit der Zuteilung Makedoniens und Teilen Griechenlands an Antigonos (dem Stammvater der Antigoniden), Syriens, Mesopotamiens und Persiens an Seleukos I. (dem Stammvater der Seleukiden) sowie Ägyptens an Ptolemaios (dem Stammvater der Ptolemäer) und der Bildung dreier entsprechender Großreiche.
Hierdurch kam es zu einer vorübergehenden Stabilisierung der politischen Lage, bevor die Auflösungserscheinungen wieder voranschritten und Rom sich in die Konflikte einzumischen begann, so namentlich in Griechenland und im Konflikt der Seleukiden mit den Ptolemäern um Palästina: Antiochos III. wurde 188 v. Chr. von den Römern zum Verzicht auf Teile seines Reiches gezwungen, während auch Philipp V. von Makedonien eine Einengung seines Handlungsspielraums in Griechenland akzeptieren musste. Im Iran, bis dahin unter seleukidischer Kontrolle, breiteten sich seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. die Parther aus, die um 141 v. Chr. auch Mesopotamien in Besitz nahmen und die Seleukiden auf einen unbedeutenden Reststaat in Syrien beschränkten, sich aber ganz als Erben der hellenistischen Tradition präsentierten.
168 v. Chr. wurde Makedonien, nach der Niederlage des Sohnes Philipps V., Perseus, von den Römern in vier Bezirke aufgeteilt und 148 v. Chr. endgültig in eine römische Provinz verwandelt. 64 v. Chr. wurden mit der Eroberung Syriens durch Pompeius die Reste der Seleukidenherrschaft getilgt, 30 v. Chr. mit der Einnahme Alexandrias durch Oktavian das Ptolemäerreich, das seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. nicht viel mehr als ein römisches Protektorat darstellte, ins Imperium einbezogen.
Die politische Geschichte des Hellenismus, und damit auch der politischen Selbstständigkeit griechischer Staaten, endete somit, während die kulturelle Ausstrahlung des Hellenismus bis in die Spätantike erhalten blieb (siehe auch Byzantinisches Reich).
Allgemeine Merkmale der Epoche
Der Hellenismus umspannte einen gewaltigen Raum: Von Sizilien und Unteritalien (Magna Graecia) und Griechenland bis nach Indien, vom Schwarzen Meer bis nach Ägypten. Auch in Baktrien setzten sich die Griechen fest und etablierten dort das so genannte Gräko-baktrische Reich, welches erst nach knapp zwei Jahrhunderten unterging. Schwerpunkt der Handlungen während des Hellenismus war aber der östliche Mittelmeerraum, auch wenn die Seleukiden immer wieder versuchten, ihre östlichen Besitzungen in Persien zu stabilisieren (siehe Antiochos III.).
Die Zeit nach 280 v. Chr. war eine kulturelle Blütezeit, in der sich Mathematik, Philosophie und Kunst entfalteten, besonders, aber nicht nur, in Alexandria. In den hellenistischen Staaten waren die Griechen selbst allerdings immer in der Minderheit. Es kam immer wieder zu Konflikten mit der einheimischen Bevölkerung, wobei es sich aber eher um eine soziale Problematik handelte, da die indigene Bevölkerung eher unzureichend an Führungsaufgaben beteiligt wurde und daher kaum Aufstiegschancen hatte; verallgemeinern läßt sich diese Aussage jedenfalls nicht. Es traten zudem immer mehr interne Auflösungserscheinungen zu Tage, begleitet von einem Zerfall der Regierungsgewalt. Gleichzeitig gelang es den hellenistischen Staaten nicht, einen modus vivendi zu schaffen.
Kennzeichen dieser Geschichtsepoche ist die Hellenisierung: die Durchdringung vor allem des Orients durch die griechische Kultur und im Gegenzug der Einfluss orientalischer Kultur auf die Griechen. Das Griechische war zu dieser Zeit Weltsprache, die so genannte Koiné (von koínos = allgemein).
Besonders gut ablesbar ist dies am hellenistischen Judentum, von dem durch die Schriften Philos und Josephus’ wie auch den deuterokanonischen Schriften der Bibel eine größere Quellensammlung existiert. An ihnen ist sichtbar, wie sich ein orientalischer Kult wie das Judentum (auf sehr unterschiedliche Weise) mit griechischem Denken und griechischer Sprache verband und dadurch eine Weltreligion entstand. Dies geschah jedoch teils im Konflikt mit den hellenistischen Herrschern (siehe Antiochos IV.).
Die Hellenisierung der orientalischen Bevölkerung sorgte dafür, dass noch bis weit ins Mittelalter hinein wenigstens die städtische Bevölkerung Syriens und Kleinasiens Griechisch sprach (Ägypten bildet dabei einen Sonderfall).
Somit brachen die Griechen aus dem engen Raum der Polis aus und es kam zu einer ersten „Globalisierung“. Tatsächlich überdauerten die kulturellen Traditionen des Hellenismus den politischen Zusammenbruch und wirkten noch Jahrhunderte in Rom und im Byzantinischen Reich fort.
Gesellschaft und Kultur
Herrschaft und Verwaltung
Das Königtum der hellenistischen Herrscher stand auf zwei Säulen, der Alexandernachfolge (διαδοχή, diadochē) auf der einen und der Akklamation durch die Heere auf der anderen Seite. Die Staaten existierten dabei nicht unabhängig von ihrer Regierungsform, die Könige waren nicht Könige von Syrien, sondern Könige in Syrien. Das Königtum war kein staatliches Amt, sondern eine persönliche Würde, der Monarch sah den begrifflich davon nicht abgegrenzten Staat als seine Angelegenheit (vgl. Polybios 5, 41). Theoretisch war das ganze eroberte Land im Besitz des Königs, weshalb dieser es auch testamentarisch an eine fremde Macht wie die Römer übereignen konnte. Es gab also in den Diadochenreichen keine Trennung zwischen Souverän und Person.
Der Personenkult, der sich um Alexander entwickelt hatte, wurde von den Diadochen gefördert, um so ihre eigene Machtstellung zu legitimieren. Die kultische Verehrung der hellenistischen Herrscher wurde aber wenigstens zunächst nicht von ihnen selbst gefördert, sondern von außen durch die „freien“ Poleis Griechenlands an sie herangetragen. Die Herrscher wurden aber vorerst nur „gottgleich“ genannt. Erst 304 v. Chr. bezeichneten die Rhodier Ptolemaios I. als Gott und nannten ihn σωτήρ (Sōtēr, „Retter“). Es bleibt festzuhalten, dass die Diadochen eher zögerlich solche auf sie selbst bezogenen Kulthandlungen annahmen, während die nachfolgenden hellenistischen Könige diesen Herrscherkult bewusst forcierten.
Die Diadochen und ihre Nachfolger regierten mit Hilfe schriftlicher Erlasse, die als Briefe (ἐπιστολή, epistolē) oder Verordnungen (πρόσταγμα, prostagma) formuliert wurden. Der für diese Erlasse zuständige Beamte hieß epistoliagraphos. Beraten wurde der Herrscher von einem Gremium aus Freunden (φίλοι, philoi) und Verwandten (συγγενεῖς, syngeneis). Verschiedene Hofämter insbesondere im fiskalischen Bereich hatten Eunuchen inne. Der wichtigste Mann neben dem König war der Hausverwalter (διοικητής, dioikētēs), der für Wirtschaft, Finanzen, Verwaltung, Heer und Außenpolitik verantwortlich war. Während man bereits zur Zeit der Diadochen von einem absolutistischen Staat sprechen kann, setzte der typisch hellenistische Herrscherkult erst unter ihren Nachfolgern ein. Entscheidenden Einfluss gewann die Herrschaftsform der Diadochen auf die jüngere griechische Tyrannis, die Karthager und das römische Kaisertum.
Die Nachwelt beeinflusst hat auch die Verwaltung der Diadochenreiche. Sie war zentralistisch organisiert und wurde von Berufsbeamten organisiert. Dieser Beamtenapparat war keine Erfindung der griechischen Poliskultur, sondern stand in der Tradition des achaimenidischen und des pharaonischen Reiches. Vergleichbares gab es im antiken Griechenland nur in der privatwirtschaftlichen Gutsverwaltung. Wie die Angestellten eines Gutes von dessen Besitzer, so waren die Beamten der Diadochen von ihrem Herrscher abhängig, der sie einsetzte, bezahlte, beförderte und entließ. Die Verwaltung der Diadochen legte den Grundstein für die feinziselierte und personalintensive Bürokratie der hellenistischen Zeit, wobei einheimische Beamte jedoch kaum zu höheren Ämtern zugelassen waren. Diese wurden in der Regel von Makedonen oder Griechen besetzt.
Die Territorialstruktur der Diadochenreiche geht noch auf Alexander den Großen selbst zurück. Das von Strategen und Satrapen regierte Königsland umfasste dabei den größten Teil des Alexanderreiches. Alexander hatte die militärischen Befugnisse der einheimischen Satrapen makedonischen Strategen übergeben, die nach seinem Tod nach und nach die gesamte Verwaltungsarbeit ihrer Gaue (νομοί, nomoi) übernahmen. Die Strategen waren nun auch für das Siedlungswesen und die Justiz zuständig. Der König konnte Teile des in Bezirke (τόποι, topoi) und Dörfer (κώμαι, kōmai) untergliederten Königslandes oder die Einkünfte daraus als Lehen vergeben. Ihre endgültige Form fand die Gauverwaltung jedoch erst im Verlauf des dritten vorchristlichen Jahrhunderts.
Einen eigenen Territorialtypus bildeten die Außenbesitzungen, die nicht zum Königsland mit seiner Gaustruktur gehörten. Zu den Außenbesitzungen des Ptolemäerreiches gehörten Kyrene, Teile Syriens, Zypern und die Küsten des Roten und des Indischen Meeres. Sie unterstanden ebenfalls Strategen. Im Seleukidenreich waren die Außenbesitzungen etwas anders organisiert, sie wurden je nach Größe und politischem System als Völker (ἔθνη, ethnē), Städte (πόλεις, poleis) oder Königreiche (δυναστεία, dynasteia) bezeichnet. Diese Enklaven, die nicht unter direkter Verwaltung des Diadochenherrschers standen, blieben in dieser Form bis zum Ende des Hellenismus bestehen. Einige davon machten sich jedoch im Laufe der Zeit selbständig, insbesondere an der Peripherie des Seleukidenreiches.
Heer und Kriegführung
Von grundlegender Bedeutung für die Diadochenreiche war das Heer. Es lässt sich grundsätzlich in drei große Gruppen einteilen: die makedonische Garde (ἄγημα, agēma), die aus Hopliten und Reitern bestand, die griechisch-makedonische Phalanx aus Schwerbewaffneten und eine wachsende Anzahl von auswärtigen Söldnern. Neben der Landesverteidigung erfüllte es insbesondere vier von der makedonischen Heeresversammlung (ἐκκλησία πάνδημος, ekklēsia pandemos) übernommene Aufgaben: die Ausrufung oder Bestätigung eines Königs (Akklamation), die Bestellung von Vormündern für unmündige Könige, die Anerkennung königlicher Testamente und die Verurteilung politischer Gegner als Staatsverbrecher. In der Diadochenzeit ließ unter anderem Ptolemaios den Eumenes, Kassandros die Olympias und schließlich Antigonos I. den Kassandros vom Heer verurteilen. Der zu dieser Zeit noch sehr große Einfluss des Heeres ging jedoch immer mehr zurück, nur noch die Garnisonen der Hauptstädte konnten später der politischen Führung ihren Willen aufzwingen. Dennoch blieb der militärische Oberbefehlshaber (χιλίαρχος, chiliarchos) der zweite Mann im Staat neben dem dioikētēs.
Eine Einschätzung der Größe dieser Heere ermöglicht unter anderem Appian, der berichtet, das Ptolemäerreich habe über 200.000 Fußsoldaten, 40.000 Reiter, 300 Kriegselefanten, 2.000 Streitwagen, 1.500 große und 2.000 kleine Kriegsschiffe verfügt. Allerdings sind die genauen Zahlen kaum zu ermitteln, da die antiken Historiker in dieser Hinsicht oft übertrieben haben. Dennoch kann kein Zweifel daran bestehen, dass die hellenistischen Heere, verglichen mit den Armeen der klassischen Zeit, gewaltig waren (Lit.: vgl. Kleines Lexikon des Hellenismus, S. 492f.). Die Zahlenangaben für die Schlachten von Ipsos (301 v. Chr.), Raphia (217 v.Chr.) und Magnesia (190 v.Chr.) dürften aber durchaus realistisch sein.
Der Einsatz von Kriegselefanten geht auf Seleukos zurück, der in Apameia 500 indische Elefanten hielt. Außerdem wurden Kamele, gepanzerte Reiter (κατάφρακτοι, kataphraktoi) und Belagerungsmaschinen eingesetzt, wobei die Belagerungstechnik gewaltigen Fortschritt machte.
Wichtige Impulse für die Kriegsmarine gab Demetrios Poliorketes, der Sohn des Antigonos, der riesige Großkampfschiffe mit bis zu sechzehn Reihen von Ruderern bauen ließ. Die ungewöhnliche Schnelligkeit des Größenwachstums der Kriegsschiffe in der Diadochenzeit wird deutlich, wenn man bedenkt, dass die größten Schiffe der Euphratflotte Alexanders des Großen lediglich fünf Reihen besaßen. Bereits zur Zeit der Schlacht von Ipsos 301 v. Chr. ließ Demetrios aber dreizehnreihige Schiffe bauen. Die sechzehnreihige Hekkaidekere (ἑκκαιδεκήρης) markierte dann den Höhepunkt der auf praktischen Nutzwert ausgerichteten Schiffsentwicklung. Die später von den Ptolemäern gebauten zwanzig-, dreißig- und vierzigreihigen Schiffe waren dagegen wohl reine Schaustücke, die nur in sehr kleinen Stückzahlen gebaut wurden.
Die Diadochen verfügten bereits über ein stehendes Heer, das mobil und ständig einsatzbereit war. Es wurde in Kriegszeiten durch eine große Anzahl von Militärsiedlern (κάτοικοι κληροῦχοι, katoikoi klēruchoi) ergänzt, die von Seleukos in Städten, von Ptolemaios in Dörfern angesiedelt wurden. Mit dem System der Militärsiedler schlugen die hellenistischen Herrscher zwei Fliegen mit einer Klappe: Zum einen konnte der Sold ganz oder teilweise mit den Erträgen des von den Soldaten im Frieden bebauten Landes abgegolten werden, zum anderen waren sie in dieser Zeit Landarbeiter und damit Steuerzahler, welche die stark ausgebaute Verwaltung und die ständigen Kriege mitfinanzierten. Die Militärsiedler waren meist griechische Einwanderer und bauten ihre neu gegründeten Städte selbst. Allerdings wurden durchaus auch Söldner angeworben und, zunächst nur vereinzelt, in späterer Zeit regulär, einheimische Truppen in die Phalanx integriert.
Wirtschaft
Die Diadochenreiche betrieben eine planmäßige Wirtschaftspolitik. Im Ptolemäerreich lassen Papyrusfunde auf eine echte staatliche Planwirtschaft schließen. Das Prinzip dieses auf die Pharaonen zurückgehenden Wirtschaftssystems bringt ein Papyrus aus Tebtunis auf den Punkt:
Niemand hat das Recht, zu tun, was er will, denn alles ist aufs Beste geregelt.
(zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 310)
Die Beseitigung von Korruption, wirtschaftlichem Leerlauf und oftmals chaotischen Privatinitiativen machte Ägypten zum reichsten Land und den Ptolemäerkönig zum reichsten Mann der antiken Welt. Er profitierte dabei nicht zuletzt von der Einbeziehung der reichen Tempelbezirke, die vorher eine Art Staat im Staate bildeten. Seine Hauptstadt Alexandria blieb bis in die Zeit des römischen Kaisers Augustus der größte Handelsplatz der damals bekannten Welt.
Die Grundlage der hellenistischen Wirtschaft war die bis ins Detail durchorganisierte Landwirtschaft. Durch Einführung moderner Anbaumethoden wurde Ägypten zur Kornkammer des östlichen Mittelmeerraumes, der König erhielt etwa ein Drittel der Erträge. Im seleukidischen Babylonien führten die Makedonen den Weinbau ein. Mehr Spielraum blieb privaten Unternehmern im Bereich des Gewerbes. Dieser wurde jedoch durch umfangreiche Monopolbestimmungen begrenzt. Grundnahrungsmittel wie Öl, Salz, Fisch, Bier, Honig und Datteln, die Herstellung von Papyrus, Textilien, Glas und Luxusartikeln sowie Transportwesen, Banken und Außenhandel waren Sache des Staates. Dieser schützte die eigene Wirtschaft durch Zölle von bis zu 50% und erreichte nicht zuletzt durch eine Erweiterung des Osthandels beträchtliche Außenhandelsüberschüsse.
Gesellschaft und Sozialstruktur
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Die Diadochenreiche hatten für antike Verhältnisse eine recht große Bevölkerung: Die Einwohnerzahl des Seleukidenreiches wird auf dreißig, die des Ptolemäerreiches auf etwa acht Millionen geschätzt. Dabei waren die Staaten der Diadochen durch zwei große Gegensätze geprägt: die Trennung in soziale Schichten und die Aufteilung in Nationalitäten. Eine wesentlich geringere Rolle spielte der Adel. Die Griechen waren gerade erst eingewandert und konnten so kaum mit der Leistung ihrer Vorfahren prunken, der vor allem in Persien zunächst noch vorhandene einheimische Adel verlor schnell an Bedeutung. Dies lag auch im Interesse der Diadochenherrscher, deren Beamtenapparat darauf angewiesen war, dass Ämter nach Tüchtigkeit und nicht nach Geburt vergeben wurden. Deshalb waren vom König verliehene Ränge zunächst nicht erblich.
Auch die Sklaven waren weniger zahlreich und auch weniger bedeutend als in anderen antiken Staatswesen. Während ihre Anzahl im Seleukidenreich schwer zu ermitteln ist, kann für Ägypten mit einiger Sicherheit von einer geringen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedeutung der Sklaverei ausgehen. Die Landarbeit wurde von Fellachen betrieben, die rein rechtlich nicht als Sklaven galten. Ehen zwischen Freien und Unfreien waren relativ häufig. Von den Tempelsklaven (ἱεροδοῦλοι, Hierodulen) abgesehen, gab es vor allem in den Privathaushalten reicher Griechen Sklaven, diese waren also kaum in der Produktion tätig. Sie galten als Luxusgut und unterlagen deswegen einer besonderen Steuer. Der Freikauf von Sklaven wurde erst um 200 üblich, Kriegsgefangene im Sklavenstatus kamen dagegen schon unter den Diadochen vor. Diese arbeiteten vor allem in königlichen Steinbrüchen und Bergwerken.
Das größte soziale Problem stellte der Gegensatz zwischen Griechen und Orientalen dar. Philon bezeugt die Existenz einer Zwei-Klassen-Gesellschaft: Ägypter wurden mit der Peitsche, Griechen lediglich mit dem Stock gezüchtigt. Dabei betrug der Anteil der Griechen an der Gesamtbevölkerung höchstens 1%. Die von Alexander geförderte Gleichberechtigung der beiden Gruppen ließ sich unter den Diadochen so nicht beibehalten, Ptolemaios und Seleukos führten bald eine Trennung zwischen einheimischen und griechischen Funktionsträgern durch. Während letzterer den einheimischen Satrapen den militärischen Oberbefehl zugunsten griechischer Strategen entzog, verzichtete ersterer beim Aufbau seines Verwaltungsapparates ganz auf Einheimische, die nur noch auf der Ebene der Dorfschulzen politische Verantwortung tragen durften. In dieses Bild einer Apartheidgesellschaft passt, dass Mischehen zumindest theoretisch verboten waren und jede Bevölkerungsgruppe einem eigenen Recht unterlag, die Griechen dem griechischen, die Ägypter dem ägyptischen und die Juden dem jüdischen. Prozesse zwischen Menschen verschiedener ethnischer Gruppen wurden vor besonderen Gerichten verhandelt. Der ethnische Gegensatz zwischen Einwanderern und Orientalen war also größer und bedeutender als der zwischen Sklaven und Freien.
Die Diadochen und ihre Nachfolger wollten das griechische Element in ihren Staaten stärken und begünstigten deshalb die Einwanderer, von denen im Laufe der Zeit Hunderttausende kamen. Griechen traten als Soldaten oder Beamte in den Königsdienst und ließen sich in den griechischen Städten des Ostens, in denen sie auch als Privatleute sofort das Bürgerrecht erhielten, als Händler, Gewerbetreibende oder Bauern nieder. Niedergelassene Einwanderer waren vom Militärdienst befreit. Allerdings spielte bei der Einwanderungspolitik vor allem auch die Tüchtigkeit der Immigranten eine Rolle. Auch Galater und Juden wurden ins Heer aufgenommen, die Städte nahmen auch Juden und Phöniker auf. Bei den eingewanderten Griechen nivellierten sich schon bald die Unterschiede, es entstand eine Art „Einheitsgrieche“, die lokalen Traditionen traten zurück, eine gesamtgriechische Verkehrssprache (κοινῆ, koinē) entwickelte sich. Die Bedeutung der koinē zeigt sich darin, dass das Alte Testament in diese Sprache übersetzt und das Neue sogar in ihr abgefasst wurde. Die Entwicklung einer griechischen Hochsprache in den Diadochenreiche legte so gleichsam den Grundstein für die spätere Verbreitung des Christentums.
Am längsten blieben die Makedonen kulturell eigenständig. Die Bezeichnung „Makedone“ wurde jedoch schon bald zum Standesbegriff und wurde später selbst von Juden geführt. Insgesamt war der Wunsch nach Zugehörigkeit zur griechischen Kultur bei den Orientalen groß. So bezeichnete Manetho, der die Liste der Pharaonen aufstellte, die Stammväter von Griechen und Ägyptern als Brüder, König Pyrrhos von Epirus führte seine Herrschaft auf Achilles zurück. Selbst die Römer beriefen sich vor Seleukos auf eine angebliche Blutsverwandtschaft über ihre sagenhaften trojanischen Ahnen. Dabei galt allgemein das Wort des Philosophen Isokrates. Dieser hatte erklärt:
Grieche ist man nicht durch Geburt (γένος, genos) und Aussehen (φύσις, physis), sondern durch Vernunft (διάνοια, dianoia) und Bildung (παίδευσις, paideusis).
(zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 314)
Dadurch wurde trotz der rigiden Trennung der ethnischen Gruppen letztlich eine Vermischung von Griechen und Orientalen erleichtert. Im Niltal wurden die Griechen ägyptisiert und die Ägypter hellenisiert. Besonders entgegenkommend zeigte sich Ptolemaios gegenüber den Fellachen, wohl vor allem, um mögliche Aufstände zu verhindern. Jedenfalls nahm der Wohlstand der ägyptischen Bauern in der Diadochenzeit soweit zu, dass ein Fellache mehr verdiente als ein griechischer Arbeiter auf Delos.
Verhältnismäßig gut war in den Diadochenreichen auch die Lage der Frauen. Sie gewannen das Recht, vor Gericht im eigenen Namen auszusagen und selbständig Unternehmen zu führen. Auch waren ihnen alle Stufen der Schulbildung zugänglich. Frauen besuchten das Gymnasion, betätigten sich als Dichterinnen oder Philosophinnen und organisierten sich in eigenen Vereinen. Inschriften aus Kleinasien, Sparta und Kyrene berichten von Frauen, die sich durch Stiftungen einen Namen machten und politische Ämter übernahmen. In Delphi und Priene amtierten Frauen als Archonten. Zudem hatten bedeutende Frauen Zugang zum Bürgerrecht auswärtiger Städte. Frauen aus dem Königshaus wie Arsinoë II., die Tochter des Ptolemaios, griffen sogar aktiv in die Politik ein. Allerdings wurden noch immer weit häufiger neugeborene Mädchen ausgesetzt als Jungen. Dieses Schicksal traf aber nur selten die Töchter von Sklavinnen, Unfreie waren allgemein als Luxusgüter begehrt.
Religion und Kult
Die Diadochen gestatteten ihren Untertanen die Verehrung einheimischer Götter. Während aber Seleukos deren Kultstätten einen eigenen rechtlichen Status zubilligte und ihnen eine durch Tempelversammlung (ἐκκλησία, ekklēsia) und Kultvereine organisierte Selbstverwaltung gestattete, versuchte Ptolemaios, die reichen Heiligtümer Ägyptens in seinen Verwaltungsapparat zu integrieren. Die Ptolemäer ließen sich als συννάοι θεοί (synnaoi theoi) in den Tempeln mitverehren und ernannten die Priester selbst. Griechische Kontrollbeamte übernahmen die Aufsicht über die Tempelwirtschaft, selbst griechische Priester kamen vor. Die Erträge der Tempel wurden besteuert und ihr Asylrecht eingeschränkt, der Kult selbst blieb jedoch weitgehend in seiner vorhellenistischen Form erhalten.
Nicht nur in Ägypten genossen auch die Diadochen selbst göttliche Ehren. Ein anlässlich der Befreiung Athens 307 verfasster Hymnus an Demetrios, den Sohn des Antigonos, bezeugt das Ausmaß der ihnen erwiesenen Ehrungen:
Freue dich, Sohn des mächtigen Gottes Poseidon (Anspielung auf seine oben genannte Flotte) und der Aphrodite (Schmeichelei gegenüber seiner Schönheit). Denn die anderen (d.h. die eigentlichen) Götter sind weit entfernt oder sie existieren überhaupt nicht, oder sie kümmern sich nicht um uns. Dich aber sehen wir gegenwärtig, nicht aus Holz oder Stein (wie die Kultbilder in den Tempeln), sondern wirklich.
(zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 303)
Neben diesen spontanen Herrscherkult seitens der Städte trat der vom Herrscher verordnete. Bereits Alexander befahl 324 die eigene Vergöttlichung. Die Diadochen setzten den Alexanderkult fort, dessen Zentrum Alexanders Grab (séma) in Alexandria bildete. Zudem förderten sie Legenden über ihre eigene göttliche Abstammung. Bald schon fand allgemeine Verbreitung, dass Herakles der Ahnherr der Ptolemäer und Apollon der Stammvater der Seleukiden sei. Während in Makedonien eine kultische Verehrung des Herrschers nicht stattfand, wurde sie in den anderen beiden Reichen bald schon im großen Stil praktiziert. Die Söhne der Diadochen ordneten die Verehrung ihrer Väter und die der eigenen Person an und bauten dafür eigene Tempel. In jedem Gau überwachte ein Oberpriester (ἀρχιερεύς, archiereus) den Herrscherkult, zu Ehren der Diadochenherrscher wurden regelmäßig Festspiele nach dem Vorbild der Olympischen Spiele abgehalten, die Gäste aus aller Welt anzogen.
Einen erstaunlichen Aufschwung nahm unter den Diadochen und ihren Nachfolgern das Judentum, dessen geistiges Zentrum nun nicht mehr Jerusalem, sondern Alexandria war. Dort siedelten im Deltabezirk ehemalige jüdische Kriegsgefangene, die sich unter einem Gemeindevorsteher selbst verwalteten. Gegen Ende der Diadochenzeit begann die Arbeit an der Septuaginta, der griechischen Fassung des Alten Testaments. Der älteste außerbiblische Bericht über den Exodus stammt aus der Aegyptiaca des Hekataios von Abdera. In seinem am Hof des Ptolemaios verfassten Werk berichtet er, dass die Juden während einer Pest aus Ägypten vertrieben und von ihrem weisen Gesetzgeber (Moses?) nach Judäa geführt wurden. Die Schriften des Hekataios beeinflussten offenbar auch Manetho und Strabon, die in ähnlicher Weise über die Herkunft der Juden schrieben. Insgesamt waren die Juden einem Hellenisierungsprozess unterworfen, der auch dank der Unterstützung durch Seleukos und die ersten Seleukiden zu einer weitgehenden Gleichberechtigung mit den Griechen führte.
Neue orientalische Erlösungsreligionen wurden in den Diadochenreichen immer wichtiger. Die olympischen Götter der Griechen verloren an Bedeutung. Religion wurde Privatsache, lediglich der Herrscherkult blieb als verbindendes Element erhalten. Die daneben wohl folgenreichste religionspolitische Neuerung war die Einführung des synkretistischen Sarapiskults durch Ptolemaios. Sarapis war eine Verschmelzung aus den ägyptischen Göttern Osiris und Apis und dem griechischen Göttervater Zeus. Zudem wurden nach der Interpretatio Graeca vermehrt griechische und orientalische Götter gleichgesetzt, beispielsweise die Erntegöttin Demeter mit Isis, der Gattin des Osiris. Diese Entwicklung bereitete den Boden für die 300 Jahre später erfolgende Verbreitung einer weiteren östlichen Erlösungsreligion, des Christentums.
Wissenschaft und Kultur
Hinweis: Wissenschaft und Kultur des Hellenismus waren geprägt von einer großen Bandbreite, wobei die Diadochenzeit dafür den Grundstein legte. Im Folgenden kann diese Entwicklung freilich nur skizziert werden.
Die Diadochenzeit leitete den Aufschwung in Wissenschaft und Technik der hellenistischen Zeit ein, von dem noch die Neuzeit profitieren sollte. Bereits der Alexanderzug wurde von Vermessern begleitet, deren Aufzeichnungen für die Geografie von großer Bedeutung waren. Im Hellenismus bildeten sich einige der bedeutendsten philosophischen Strömungen heraus (siehe beispielsweise Stoa, Epikureismus und Peripatos), wobei aber auch die Mathematik, Kunst und Medizin sich in dieser produktiven Zeit weiter entfalten konnten.
Zum Mittelpunkt der griechischen Gelehrsamkeit wurde seit der Zeit der Diadochen Alexandria mit seinem Museion und der bekannten Bibliothek, wobei die Patronagepolitik der Ptolemäer eine große Rolle spielte (Lit.: vgl. P. Green, Alexander to Actium, S. 80ff.). Das im Palastbezirk der Stadt gelegene Museion lässt sich am ehesten mit einer heutigen Universität vergleichen. Mit seinem Vortragsraum, der zu philosophischen Gesprächen einladenden Wandelhalle und dem gemeinsamen Speisesaal der örtlichen Philologen bildete es ein Wissenschafts- und Kulturzentrum. Unter der Leitung eines Oberpriesters wurde neben Philosophie auch Naturwissenschaften und Medizin gelehrt. Die Ärzte Alexandrias wagten sich wohl als erste an eine umfassende Erforschung der menschlichen Anatomie und sezierten dafür Hingerichtete. Hier gelangte die geografische Mathematik zur vollen Entfaltung, ebenso entstanden bedeutende Beiträge zur Philosophie und Astronomie. Auch Eratosthenes wirkte hier. Ihm kam wie auch den anderen Wissenschaftlern, Literaten und Künstlern jener Zeit zugute, dass er seine Wirkungsstätte frei wählen konnte. So entstand eine internationale Schicht aus Gelehrten, die bald den Spott der Satiriker herausforderte. In Athenaios 22 D wurden sie mit Vögeln verglichen, die sich im Käfig des Museions mästeten und den König mit ihrem Gezänk belustigten.
Die an das Museion angeschlossene Bibliothek umfasste bis zu 700.000 Rollen. Vor allem Ptolemaios II., der Sohn und Nachfolger des Ptolemaios, machte sich um sie verdient. Er ließ die Schriften der Griechen, Chaldäer, Ägypter, Römer und Juden sammeln, erwarb die Bibliothek des zu Beginn der Diadochenkriege verstorbenen Philosophen Aristoteles und kaufte vor allem in Athen und Rhodos weitere Bücher zu. Kallimachos verfasste den ersten Bibliothekskatalog, der erste Bibliotheksvorsteher war Zenodotos. Die große Bibliothek von Alexandria weckte den Ehrgeiz der Herrscher des sich gerade vom Seleukidenreich lösenden Pergamon. Auch sie begannen Bücher zu sammeln und kopieren zu lassen. Das von Ptolemaios II. verhängte Ausfuhrverbot für Papyrus (chartae) umgingen sie durch die Verwendung des neuartigen Pergaments. Marcus Antonius schenkte später Kleopatra VII., der letzten Ptolemäerin, 200.000 Rollen der pergamenischen Bibliothek, die so schließlich wieder nach Alexandria kamen.
Auch wenn die Hauptstadt der Ptolemäer von diesen planmäßig zum kulturellen Mittelpunkt der hellenistischen Welt ausgebaut wurde, so kamen doch die anderen Städte nicht zu kurz. Besonders das griechische Mutterland wurde immer wieder von den Diadochen mit Spenden bedacht. Seleukos gab die vom persischen Großkönig Xerxes 200 Jahre zuvor aus Athen entführte Bibliothek des Peisistratos wieder zurück. Um die griechische Öffentlichkeit in ihrem Sinne zu beeinflussen, unterstützten die Diadochen die Poleis finanziell durch Stiftung und durch Bauten wie das Olympieion in Athen. Dieser vordergründigen Unterstützung des kulturellen Lebens und der finanziellen Lage der Städte stand deren weitreichende politische Entmachtung gegenüber. Die städtische Selbstverwaltung blieb nur im Inneren erhalten. Außenpolitik, Militär und Steuern waren nun Sache der Diadochenherrscher, die die Städte aber trotz allem relativ behutsam behandelten. So konnten sich in ihnen in der hellenistischen Zeit Kultur und Wissenschaften in einer Weise entfalten, die aus dem Hellenismus die moderne Zeit des Altertums machte.
Die astronomischen Arbeiten des Eudoxos von Knidos († 352) wurden im 3. Jahrhundert von Aristarch († 230), der das heliozentrische Weltbild begründete und die Drehung der Erde erkannte, und Eratosthenes († 202), der ihren Umfang berechnete und das System der Längengrade schuf, fortgeführt. Schon zur Zeit Alexanders befuhr Pytheas die Nordsee und entdeckte Britannien. Ptolemaios II., der Sohn des Diadochen Ptolemaios, schickte Gesandte nach Indien und ließ das Innere Afrikas erforschen. Auch im Bereich der Technik wurden viele Fortschritte gemacht, die einige Jahrzehnte später Archimedes und Heron von Alexandria ihre bedeutenden Erfindungen ermöglichten. Bereits zur Diadochenzeit ließ Demetrios Poliorketes eine als Helepolis bekannte Belagerungsmaschine konstruieren, mit der er Rhodos angriff.
Aber auch die Literatur dieser Zeit war zum Teil bemerkenswert: Kallimachos, der bedeutendste alexandrinische Dichter, sowie seine Schüler, unter ihnen auch Apollonios von Rhodos, der sein berühmtes Werk zur Argonautensage verfasste (Argonautika). In hellenistischer Zeit entstand auch der romantisch verklärte Alexanderroman der sich bis in die Neuzeit größter Beliebtheit erfreuen konnte. Im Mittelalter war er sogar nach der Bibel das am weitesten verbreitete Buch und wurde von Europa bis Südostasien gelesen.
Generell kann konstatiert werden, dass sich die hellenistische Literatur zwar im Rahmen bereits bekannter Gattungen bewegte (Drama, Elegie, Epigramm, Epos, Hymnus, Lyrik etc.), diese aber weiterentwickelte und umgestaltete. Auf dem Gebiet der Komödie bedeutend war dabei vor allem Menander, der gemeinsam mit dem Philosophen Epikur in Athen als Ephebe diente.
Der Umgestaltungsprozess in der Literatur wurde durch eine neue Form der öffentlichen Bildung gefördert, wie öffentliche Schulen und vor allem das umfangreiche Bibliothekswesen der hellenistischen Zeit. Die oben erwähnten Bibliotheken ermöglichten den Wissenschaftlern und Schriftstellern zum ersten Mal auf breiter Basis, sich auf bereits analysiertes Material zu stützen und sich damit auseinander setzen zu können
Bewertung
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Von der Antike bis ins 19. Jahrhundert wurde die Zeit der Diadochen allgemein recht negativ gesehen. Für Plutarch endete die Freiheit mit dem Tod des Demosthenes 322 und damit zu Beginn dieser Zeit. Die Diadochenzeit markierte das Ende der griechischen Klassik und damit den Anfang des als Verfallsprozess empfundenen Hellenismus. Dabei wurde aber meist übersehen, dass die Kanonisierung der so genannten Klassik erst im Hellenismus erfolgte und der Begriff selbst erst in römischer Zeit entstand.
Die positive Würdigung der Zeit der Diadochenreiche geht vor allem auf den Historiker Johann Gustav Droysen im 19. Jahrhundert zurück, der den Hellenismus als moderne Zeit des Altertums bezeichnete. Droysen wandte sich gegen die Idealisierung der klassischen Zeit und meinte, dass die Diadochen den erfolgreichen Versuch unternahmen, das partikularistische Polissystem zu überwinden (wenn die Polis auch freilich weiterhin eine wichtige Verwaltungseinheit darstellte) und große Länder durch zentrale Planung politisch und wirtschaftlich wirklich zu erfassen. Auf Droysen geht die Einschätzung der Diadochenstaaten als Teile einer vergleichsweise modernen, städtisch geprägten Weltzivilisation zurück, die durch einen wirtschaftlichen Aufschwung, technischen Fortschritt, Mobilität, Individualismus und die Begegnung verschiedener Kulturen geprägt war. Im 20. Jahrhundert fand diese Einschätzung allgemeine Anerkennung, so schrieb Gottfried Benn 1949:
Der griechische Kosmos schuf durch den Hellenismus die innere Lebensform für die halbe Erde.
(zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 295)
Generell bleibt festzuhalten, dass bis heute keine wirkliche Einigung erzielt wurde. Noch der amerikanische Historiker Peter Green kommt in seiner detaillierten und interessanten, aber auch problematischen Studie From Alexander to Actium zu einer eher negativen Beurteilung, anders etwa Graham Shipley oder Hans-Joachim Gehrke. Auch Demandt verficht Droysens Einschätzung und betont die Ähnlichkeiten zwischen Hellenismus und Moderne. Ihm zufolge steht die Zeit der Diadochenreiche in einem ähnlichen Verhältnis zu klassischer und archaischer Zeit wie die Neuzeit zu Mittelalter und Antike. Ähnlichkeiten sieht er bei der Erweiterung des Lebensraumes, der Errichtung von Kolonialregimes über technisch weniger entwickelte Völker, dem wissenschaftlich-technischen Fortschritt, der Entstehung eines Weltmarktes und der Urbanisierung.
Weitgehend unbestritten ist die Bedeutung der Diadochenzeit im Bereich der Außenpolitik. In dieser Zeit entstand ein außenpolitisches Regelsystem, das zwischenstaatliche Beziehungen in feste Formen brachte. Ludwig Mitteis bemerkte 1900, dass dieses Regelsystem die Einheit des griechischen Rechts im gesamten Umfang des graecomacedonischen Hellenismus (zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 318) verwirklichte. Einher mit dieser Regelung ging jedoch eine Labilität der Diadochenstaaten, die damit zusammenhing, dass fast jeder Diadoche ein großer Eroberer im Stil Alexanders des Großen werden wollte. Der armenische König Tiridates fasste das Selbstbild eines Diadochenherrschers so zusammen:
Ein Privatmann verdient Lob, wenn er sich um sein eigenes Haus kümmert, ein König aber, wenn er um die Güter anderer streitet.
(bezeugt bei Tacitus, Annalen XV 1; zitiert nach Demandt, Antike Staatsformen, S. 318)
Während diese anderen sich in der Zeit um 300 v. Chr. jedoch vor allem jeweils in untereinander geschlossenen Bündnissen gegen einen Aggressor aus ihren Reihen wehrten, konnten sie sich später an die mittlerweile zur Vormacht im Mittelmeerraum gewordenen Römer wenden. Diese – und nicht die Diadochen – wurden schließlich zu den Testamentsvollstreckern des großen Alexander und errichteten das Weltreich, von dem die Diadochen nur träumen konnten.
Quellen
Die Quellenlage zum Hellenismus ist mit die problematischste in der Alten Geschichte, da in weiten Teilen eine durchgehende Überlieferung fehlt. Somit ist man auf die Fragmente (wie von Hieronymos von Kardia) bzw. auf die nicht vollständig erhaltenen Schriften von Historikern (Polybios, Diodor), auch Papyri (vor allem aus Ägypten), Münzen, Inschriften sowie auf archäologische Quellen etc. angewiesen. Aus diesem Grund sind viele Sachverhalte umstritten, auch wenn im Großen und Ganzen ein Gerüst steht, welches jedoch komplexe Detailfragen aufwirft.
Griechische Autoren
Der Hellenismus, dessen Anfang die Diadochenzeit bildet, gilt als die schreibfreudigste Zeit der griechischen Antike (Lit.: für einen allgemeinen Überblick hinsichtlich der Quellen und den damit verbundenen Problemen siehe Shipley, The Greek world after Alexander, S. 1–32). Bereits die Diadochen sammelten in ihren Bibliotheken in Alexandria, Antiochia und Pella die Werke zeitgenössischer Autoren. Dennoch sind kaum historische oder philosophische Schriften aus jener Zeit erhalten. Der Altertumsforscher Hermann Strasburger geht von einem Verhältnis zwischen verlorengegangenen und erhaltenen Werken von 40:1 aus. Die meisten dieser Bücher gingen offenbar in byzantinischer Zeit verloren, da sie dem damals verfochtenen klassizistischen Sprachideal nicht entsprachen. Auch die Zerstörung der großen Bibliothek von Alexandria trug sicher zu dieser schlechten Überlieferungssituation bei. Fragmentarisch erhalten sind die griechischen Autoren Timaios von Tauromenion (345–250 v. Chr.) und Hieronymos von Kardia (360–272 v. Chr.), Zeitgenossen der Diadochen, sowie Poseidonios von Apameia (135–51 v. Chr.).
Römische Autoren
Deutlich besser sieht es mit den römischen und anderen in römischer Zeit schreibenden Autoren aus. Diese sind jedoch alle keine Zeitgenossen der Diadochen. Dennoch sind etwa Diodor, der um die Zeitenwende schrieb und der vom 18. Buch seines Geschichtswerkes an die Diadochenzeit behandelt, der in einer Zusammenfassung des Justinus erhaltene Pompeius Trogus und Appian, der einen Überblick über die Seleukiden verfasst hat, wichtige antike Quellen. Ebenfalls in römischer Zeit schrieb der Grieche Plutarch, der unter anderem Viten von Eumenes, Demetrios und Pyrrhos verfasst hat. Eine auf den ersten Blick wenig naheliegende Quelle sind jüdische Texte in griechischer und aramäischer Sprache. Dazu zählen Flavius Josephus, der Geschichtsschreiber des Jüdischen Krieges, und das Buch Daniel des Alten Testaments.
Archäologische Funde
Umfangreicher als die schriftlichen sind die dokumentarischen Zeugnisse jener Zeit. Neben den Inschriften sind insbesondere die ägyptischen Papyri, die Michael Rostovtzeff ausgewertet hat, und die Keilschrifturkunden aus dem Mesopotamien der ersten Seleukiden für die Historiographie bedeutsam. Wichtig für unser Bild von der Diadochenzeit ist auch der Abgleich der Quellen mit den archäologischen Befunden. Leider sind die Reste Alexandrias, Antiochias und Seleukias, der Hauptstädte der großen Diadochenreiche, eher kärglich, größere Funde wurden in Milet, Ephesos und Pergamon gemacht. Titel und Porträts der Diadochen sind uns vor allem von Münzbildern und Marmorbüsten bekannt.
Literatur
Die klassische Darstellung ist Droysens Geschichte des Hellenismus, die inzwischen jedoch hoffnungslos veraltet ist. Neuere Darstellungen sind in englischer (Peter Green, Graham Shipley, Frank W. Walbank) und französischer (Edouard Will) Sprache vorhanden; für den deutschen Leser sind Gehrkes Beiträge sowie das Lexikon des Hellenismus (sowohl das kleine als auch das große Lexikon) sehr nützliche Orientierungen. Im Folgenden werden vor allem Überblickswerke genannt, an Hand deren Bibliografien sich leicht spezialisiertere Literatur erschließen lässt. Es sei auch auf die entsprechenden Abschnitte in der Cambridge Ancient History hingewiesen (vor allem ab Bd. 7.1).
Literatur
Die klassische Darstellung ist Droysens Geschichte des Hellenismus, die inzwischen jedoch hoffnungslos veraltet ist. Neuere Darstellungen sind in englischer (Peter Green, Graham Shipley, Frank W. Walbank) und französischer (E. Will: Histoire politique du monde hellènistique) Sprache vorhanden. Im Folgenden werden vor allem Überblickswerke genannt, an Hand deren Bibliographien sich leicht spezialisiertere Literatur erschließen lässt.
Deutschsprachige Literatur
- Alexander Demandt: Die hellenistischen Monarchien. In: Antike Staatsformen. Akademie-Verlag, Berlin 1995. S. 291–320, ISBN 3-05-002794-0.
Knapper Überblick über Geschichte und Gesellschaft der hellenistischen Staatenwelt mit Bibliografie.
- Johann Gustav Droysen: Geschichte des Hellenismus, 3 Bände, Gotha 1877–1878 (Neudruck Darmstadt 1998).
- Malcolm Errington: Geschichte Makedoniens. Beck, München 1986, ISBN 3-406-31412-0 .
- Hans-Joachim Gehrke: Hellenismus. In: Ders. und H. Schneider (Hrsg.): Geschichte der Antike. Ein Studienbuch.. Metzler, Stuttgart 2000, S. 163ff., ISBN 3-476-01455-X.
Knappe und gut lesbare einführende Darstellung.
- Hans-Joachim Gehrke: Geschichte des Hellenismus (Oldenbourg Grundriss der Geschichte). 3. Auflage. Oldenbourg, München 2003, ISBN 3-486-53053-4.
Knappe Darstellung mit Forschungsteil und umfassender Bibliographie.
- Günther Hölbl: Geschichte des Ptolemäerreiches. Politik, Ideologie und religiöse Kultur von Alexander dem Großen bis zur römischen Eroberung. Wiss. Buchges., Darmstadt 1994; Sonderausg. Theiss, Stuttgart 2004, ISBN 3-8062-1868-4.
- Klaus Rosen: Die Bündnisformen der Diadochen und der Zerfall des Alexanderreiches. In: Acta Classica 11 (1968), S. 182ff.
- Hatto H. Schmitt und Ernst Vogt (Hgg.): Kleines Lexikon des Hellenismus. 2. erweiterte Auflage. Harrassowitz, Wiesbaden 2003 (Studienausgabe; orig. Wiesbaden 1993), ISBN 3-44704-727-5.
Eigentlich eine kleine Aufsatzsammlung. Sehr gut zur Einführung.
- Hatto H. Schmitt und Ernst Vogt (Hgg.): Lexikon des Hellenismus. Harrassowitz, Wiesbaden 2005, ISBN 3-447-04842-5.
Erheblich erweiterte Fassung des bewährten „kleinen“ Lexikons.
- Frank-Gernot Schuffert: Studien zu Krieg und Machtbildung im Frühhellenismus. Diss. Gießen 2005, hier online.
- Jakob Seibert: Das Zeitalter der Diadochen. Wiss. Buchges., Darmstadt 1983 (Erträge der Forschung, 185), ISBN 3-534-04657-9.
Forschungsbericht über die Diadochenzeit.
Fremdsprachige Literatur
- Richard A. Billows: Antigonos the One-Eyed and the creation of the hellenistic state. Univ. of California Press, Berkeley, Los Angeles 1990; Paperback 1997, ISBN 0-520-20880-3.
Grundlegend für Antigonos I.
- Peter Green: Alexander to Actium. The historical evolution of the hellenistic age. Univ. of California Press, Berkeley; Thames and Hudson, London 1990, ISBN 0-520-05611-6.
Detaillierte Gesamtdarstellung, in der Bewertung der Epoche allerdings teils zu negativ.
- Waldemar Heckel: The marshals of Alexander’s empire. Routledge, London 1992, ISBN 0-415-05053-7.
- Susan Sherwin-White, Amelie Kuhrt: From Samarkhand to Sardis. A new approach to the Seleucid Empire. Univ. of California Press, Berkeley; Duckworth, London 1993, ISBN 0-7156-2413-X.
- Graham Shipley: The Greek World After Alexander, 323–30 BC. Routledge, London und New York 2000, ISBN 0-415-04618-1.
Hervorragender englischsprachiger Überblick über die Zeit des Hellenismus von den Diadochen bis Kleopatra VII.
- Edouard Will: Histoire politique du monde hellénistique (323–30 av. J.-C.). 2 Bde., 2. Aufl. 1979–1982. Neuausgabe Éd. du Seuil, Paris 2003, ISBN 2-02-060387-X.
Beste moderne Darstellung der politischen Geschichte der Diadochenreiche.
Siehe auch
Weblinks