Atomistik

Die Atomistik (lat. atomus aus griech. atomos : unteilbar, unteilbarer Urstoff) bezeichnet eine von Leukipp, Demokrit, Epikur und seinen Anhängern begründete materialistische-philosophische Lehre (und naturwissenschaftliche Hypothese), dass die Materie aus kleinsten, unteilbaren Teilchen, den Atomen, bestehe, und ihre Fortentwicklung und Weiterbildung bis ins 19. Jahrhundert.

Begründung der Atomistik durch Leukipp und Demokrit

Nach Leukipp und Demokrit besteht die Materie aus letzten, nicht weiter zerlegbaren, qualitativ gleichartigen, nur ihrer Gestalt und Größe nach voneinander unterschiedenen Teilchen, den Atomen.

Diese bestehen ewig, unzerstörbar, undurchdringlich und ihrer Zahl nach unendlich. Sie setzen einen leeren Raum als Bedingung ihrer Bewegung voraus. Die Vielfältigkeit der Welt resultiert aus der verschiedenartigen Bewegung der Atome, ihrer Vermischung.

Durch das Aufeinanderprallen der Atome entstehen Wirbel, die als Anfang der Weltbildung anzusehen sind. Auf diese Weise entstehen und vergehen unendlich viele Welten, die nebeneinander und nacheinander existieren. Analoges gilt für die einzelnen Dinge. Das Denken bildet einen Spezialfall der Atombewegung. Die das Denken hervorrufenden Atome sind lediglich runder und glatter und daher beweglicher als die übrigen.

Das geamte Geschehen führt Demokrit so auf die Bewegung der Atome zurück, die er aus sich selbst, d.h. materialistisch erklärt.

In der Geschichte der griechischen Philosophie stellt die Atomistik den Höhepunkt der Entwicklung des antiken Materialismus dar. Die Bedeutung der Atomistik Demokrits liegt darin, dass sie auf spekulative Weise die Erkenntnis von der Ewigkeit und Unzerstörbarkeit der Materie, der Unendlichkeit der Welt und der Einheit von Materie und Bewegung vorwegnimmt.

Weiterentwicklung durch Epikur und Lukrez

Eine Weiterentwicklung der Lehren Demokrits stellt die Atomistik Epikurs dar. Aristoteles hatte auf einen wesentlichen Mangel der Atomistik Demokrits hingewiesen: in einem leeren Raum bewegen sich die Atome bei nur ungleicher Gestalt und Größe alle gleich schnell. Epikur behebt diesen Mangel, indem er neben Gestalt und Größe die Schwere zu einer Grundeigenschaft der Atome erklärt. Damit antipiziert Epikur die Entdeckung des Atomgewichts auf seine Weise.

Eine weitere Korrektur der Atomistik Demokrits nimmt Lukrez im Anschluss an Epikur vor. Er erklärt die Wirbelbildung der Atome durch Deklination, d.h. geringfügige Abweichungen der Atome von ihren Bahnen. Dabei schließt Lukrez von der willkürlichen Bewegung der Menschen und Tiere auf eine ebenso willkürliche der Atome, wodurch er der Atomistik den ihr bei Demokrit und Epikur eigenen fatalistischen Charakter nimmt, ohne das von ihnen errichtete streng materialistische Weltbild dadurch anzutasten.

Durch Lukrez erhält darüber hinaus die Atomistik eine unmittelbar kritische Tendenz, indem er sie bewußt in den Dienst der progressiven gesellschaftlichen und ideologischen Bestrebungen der Zeit stellte.

Ansicht der kleinsten Teilchen bei Averroes

Der Naturphilosoph Averroes (auch Ibn Ruschd genannt) bezeichnete in einem Kommentar zu Aristoteles die kleinsten Teilchen als Minima naturalia und unterschied zwischen unbegrenzter mathematischer und unbegrenzter physikalischer Teilbarkeit. Für ihn waren diese Teilchen stoffliche Realitäten.

Entwicklung der Vorstellungen in der Neuzeit

Die der Atomistik durch Leukipp, Demokrit, Epikur und Lukrez gegebene Gestalt bildet den Ausgangspunkt und die Grundlage aller weiteren atomistischen Ideen.

Während des Mittelalters geriet die Atomistik in Vergessenheit. Sie wurde am Beginn der bürgerlichen Neuzeit vor allem durch Pierre Gassendi im Rückgriff auf Epikur erneuert. Weitere Vertreter der Atomistik im 17. und 18. Jahrhundert waren mehr oder weniger : Rene Descartes, Galileo Galilei, Giordano Bruno, Daniel Sennert, Robert Boyle, Christian Huygens und Isaac Newton, später vor allem Denis Diderot, Jean Baptist Robinet, auch Pierre de Maupertuis.

Die Erneuerung der Atomistik erfolgte im engsten Zusammenhang mit dem Entstehen der neuen Naturwissenschaften und unter weitgehend mechanischen Aspekten. Die Bewegung der Atome wird - und das ist das Neue, was die Atomistik des 17. und 18. Jahrhunderts gegenüber der antiken Atomistik bringt - auf der Grundlage der jetzt entdeckten allgemeinen Gesetze der Mechanik erklärt.

Die Abbildung der mechanischen Bewegung auf die Bewegung in der Atomistik

Dergestalt werden den Atomen ausschließlich mechanische Eigenschaften (z.B. Haltevorrichtungen in Gestalt von Häkchen, Spitzen, Unebenheiten als Ursache der Atomverbindungen: die Kontaktmechanik) und ausschließlich quantitative Bestimmungen (alle Atombewegung wird auf Druck und Stoß zurückgeführt) zugeschrieben.

Die Anhänger Newtons ersetzen dann die Kontaktmechanik durch die Mechanik der Kräfte, indem sie die Lehre von der allgemeinen Gravitation auf den Bereich der Atome anwenden.

Die Vorstellungen bei Leibniz, Lomonossow und Dalton

Leibniz versucht die Atomistik idealistisch umzuinterpretieren. Er stellt den materiellen Atomen die immateriellen Monaden als letzte Bausteine der Welt entgegen. Der erste, der die Atomistik aus ihrer mechanischen Beschränkung herausführt, indem er den Atomen nicht nur quantitative, sondern auch qualitative Eigenschaften zuschreibt, ist Michail W. Lomonossow. Bei ihm findet sich der Gedanke, dass es qualitativ verschiedene Stufen der Zusammenballung von diskreten Materieteilchen (Atomen) geben würde.

Die wissenschaftliche Entdeckung des Atomgewichts durch John Dalton sowie die Entdeckung des periodischen Systems der Elemente bedeuteten gleichsam den Abschluss der Atomistik und den Übergang zur Atomphysik.

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