Antigone (Sophokles)

Antigone (griech. Ἀντιγόνη) ist eine antike Tragödie des griechischen Dramatikers Sophokles. Ihre namensgebende Hauptfigur ist Antigone, die Tochter des Ödipus. Uraufgeführt im Jahr 442 v. Chr., ist es das erste Stück von Sophokles' Thebanischer Trilogie, zu der außerdem König Ödipus und Ödipus auf Kolonos gehören.

Charaktere

  • Antigone
  • Ismene, Antigones Schwester
  • Kreon, König von Theben
  • Haimon, Antigones Verlobter, Kreons Sohn
  • Teiresias, Seher
  • Eurydike, Kreons Frau
  • Wächter
  • Erster Bote
  • Zweiter Bote
  • Chor, bestehend aus 15 thebanischen Greisen

Inhalt

Vorgeschichte

Das Stück setzt nach dem Kampf der Sieben gegen Theben an. Nach Ödipus' Tod haben sich seine Söhne Eteokles und Polyneikes verworfen; Polyneikes war aus der Verbannung zurückgekehrt und hatte versucht Theben zu erobern. Bei der entscheidenden Schlacht vor den Toren Thebens erschlugen sich aber die beiden Brüder Polyneikes und Eteokles gegenseitig. Nun übernahm Kreon, der Onkel Antigones, die Herrschaft über Theben. Dem Heimatgesetz folgend ließ er Eteokles, der seine Heimat verteidigt hatte, beerdigen. Polyneikes aber, der seine Heimat verraten hatte und mit seiner Rückkehr gegen das Gesetz verstieß, ließ er auf der Wiese liegen ohne irgendeine Bestattungszeremonie. Damit verwehrte Kreon Polyneikes den Einzug ins Totenreich. An dieser Stelle setzt das Drama ein.


Szene I.

Kreons Entscheidung steht im totalen Widerspruch zu den geltenden Sitten und Normen, die stellvertretend für die Gesetze der Götter stehen. Antigone fühlt sich diesen Normen und Werten mehr verbunden als den Gesetzen des Staates und sieht es als ihre schwesterliche Pflicht, ihren Bruder zu bestatten. Sie bittet ihre Schwester Ismene um Hilfe, diese lehnt aber ab. Sie hat Angst vor den Konsequenzen, die sie ereilen könnten, wenn sie gegen das Gesetz Kreons verstoßen würden. Außerdem will sich Ismene in die Rolle als Frau fügen, die den stärkeren Männern folgen muss. Am Schluss besingt der Chor den errungenen Sieg über die Aggressoren.


Szene II

Zu Beginn der zweiten Szene hält Kreon seine Antrittsrede. Hierbei huldigt er den tapferen Gefallenen und begründet sein Gesetz damit, dass die Vaterlandsliebe das höchste für jeden Menschen sein sollte. Der Chor stimmt ihm zu. Im zweiten Teil kommt der Wächter, der Polyneikes Leichnam bewachen sollte dazu und berichtet Kreon von dem Verbrechen - der Bestattung von Polyneikes. Der Chor vermutet dahinter den Willen der Götter und besingt am Ende der zweiten Szene den Wagemut und Erfindungsgeist der Menschen.


Szene III

Der Wächter hatte Antigone am Grab des Polyneikes beobachtet und bringt sie zu Kreon. Ohne Umschweife gesteht sie ihre Tat und begründet sie damit, dass Kreons Entscheidung Gotteslästerung war. Ihre sozialen Pflichten der Familie gegenüber stehen höher als die Pflichten dem Vaterland gegenüber („Götterwille steht über dem Gesetz des Königs“). Kreon sieht das genau anders und setzt die Staatsräson über alles. Polyneikes hatte seine Heimat verraten und ist damit ihr Feind („Feinde versöhnen sich auch nicht im Totenreich“). Somit hat Antigone die Gesetze des Staates gebrochen und muss bestraft werden, weil das Gesetz ansonsten seine Glaubwürdigkeit verlieren würde. Ismene kommt dazu und will mit ihrer Schwester sterben, doch diese lehnt es ab und geht alleine in die Gefangenschaft. Am Ende der dritten Szene besingt der Chor den Fluch des Labdakidenhauses.


Szene IV

In der vierten Szene kommt es zu einem Streitgespräch zwischen Kreon und seinem Sohn Haimon, dem Verlobten von Antigone. Anfangs zeigt Haimon Respekt gegenüber seinem Vater doch mit zunehmender Hitzigkeit verliert er diesen. Er verlangt die Begnadigung seiner Verlobten und wirft seinem Vater vor, nicht nur gegen das Gesetz der Götter zu verstoßen sondern auch den Staat als sein Eigentum zu sehen. Haimon tritt für eine Herrschaft des Volkes ein und nicht für die Alleinherrschaft seines Vaters. Dies stellt den Bruch des Verhältnisses zu seinem Vater dar. Daraufhin beschließt Kreon Antigone lebendig einmauern zu lassen. Am Ende besingt der Chor die Liebe (Eros).


Szene V

Die fünfte Szene ist auch als Antigones Klagelied bekannt. Sie vergleicht ihr Schicksal mit dem der Tochter Tantalos. Sie ist von der Richtigkeit ihrer Tat überzeugt und zeigt keine Reue. Antigone freut sich sogar auf das Totenreich, da ihre Familie schon dort ist. Trotzdem beklagt sie aber, dass sie unverheiratet stirbt. Am Ende zählt der Chor andere Fälle von Bestrafung durch Hungertod aus der Sagenwelt auf.


Szene VI

Der Seher Teiresias kommt dazu und berichtet von einem schlechten Omen. Kreon hingegen schenkt ihm keinen Glauben und wirft ihm stattdessen vor, geldsüchtig und somit käuflich zu sein. Jedoch prophezeit Teiresias Kreon den Tod seines Sohnes und so sucht dieser Rat bei dem Chor. Dieser rät ihm, Antigone freizulassen und Polyneikes ein Grab zu geben. Am Ende singt der Chor eine Hymne an Bacchus.


Szene VII

Antigone begeht Selbstmord, da sie nicht weiß, dass sie eigentlich frei gelassen werden soll. Haimon folgt ihr aus Liebe in den Tod. Ein Bote berichtet dies Eurydike und Kreon. Beide bringen den Leichnam ihres Sohnes in den Palast. Aus lauter Kummer über den Verlust des Sohnes begeht Eurydike ebenfalls Selbstmord. Als Kreon dies erfährt, erkennt er endgültig, dass er sich der Hybris schuldig gemacht hat und von den Göttern bestraft wurde. Doch kommt diese Einsicht zu spät. Am Ende resümiert der Chor „Was der Götter ist, entweihe keiner, Überhebung büßt mit großem Falle“.


Interpretation

antike Deutung

Sophokles hat sein Stück Antigone als Reaktion auf die Verbannung von Themistokles, des Helden der Seeschlacht von Salamis aus Athen geschrieben. In seinem Werk behandelt Sophokles den Gegensatz zwischen der Polisdemokratie und der Tyrannis, der Alleinherrschaft eines Königs. Kreon nimmt dabei die Stellung eines Tyrannen ein. Mit Tyrannen wurden zu der Zeit Alleinherrscher benannt und musste nicht negativ gemeint sein. Seine negative Bedeutung bekam der Begriff erst später. Haimon tritt für die Herrschaft des Volkes ein und missbilligt die Alleinherrschaft seines Vaters: „Das ist ja kein Staat, welcher einem Mann gehört“. Kreon hingegen hält an dem Heimatgesetz fest und daran jeden zu bestrafen der es übertritt. Denn er sieht Ordnung und Disziplin als besten Schutz für die Gemeinheit: „Wo die Reihn geordnet stehn, bewahrt Gehorsam tausend Leben vor Gefahr“. Kreon geht es nur darum, dass die Gesetze eingehalten werden egal ob sie unsinnig sind oder nicht. Nur wer die Zügellosigkeit unter Kontrolle halten kann, kann sich auch erfolgreich gegen Feinde verteidigen „Heg ich bei dem eigenen Stamm den Ungehorsam, wie bezähm ich Fremde dann?“. Diese Gesetze können aber nur von einem Mann aufgestellt werden. Kreon ist von der Überlegenheit des Mannes überzeugt. Damit wird die Welt der Politik dem Mann zugesprochen, in der die Frau nichts zu sagen hat. Antigone hat also gleich zweimal Gesetze gebrochen: die des Kreon, ihren Bruder nicht zu bestatten und die, der sie als Frau unterliegt z. B. sich nicht in die Politik einzumischen.

Außerdem setzt sich Sophokles mit den Gegensatz zwischen dem religiösen Wertesystem und der Tagespolitik auseinander. Dabei wird deutlich, dass die Kluft zwischen beiden Gebieten riesig ist. Trotzdem wird aber klar, welchem System Sophokles mehr Bedeutung zumisst - dem religiösen, für das Antigone letztendlich steht. Sophokles sah den Menschen als individuell handelndes Wesen, das aber dennoch gottesfürchtig ist. Kreon lässt dies vermissen und macht sich der Hybris schuldig und wird durch die Götter bestraft, indem sein Sohn und seine Frau Selbstmord begehen. Durch diesen schweren Schicksalsschlag wird Kreon geläutert und wieder auf den rechten Weg geführt.

Solche Themen sind typisch für griechische Tragödien, durch die das Publikum geläutert werden sollten. Die Tragödie ist Nachahmung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von bestimmter Größe, in anziehend geformter Sprache, wobei diese formenden Mittel in den einzelnen Abschnitten je einzeln angewandt werden – die Nachahmung von Handelnden und nicht durch Bericht, die Jammern/Rührung (eleos) und Schaudern/Schrecken (phobos) hervorruft (Die gängige Übersetzung als "Mitleid und Furcht" nach Lessing, ist irreführend) und hierdurch eine Reinigung (Katharsis) von derartigen Erregungszuständen bewirkt.


Deutung der Klassik

Das Stück Antigone wurde schon im 16. Jhd neu aufgegriffen und übersetzt, doch erst in Zeiten der Klassik wurde es den Idealen der Klassik folgend umgedeutet. Dabei muss aber gesagt werden, dass das klassische Ideal nur teilweise auf das Stück übertragen werden kann, da es kein Werk der Klassik ist, sondern lediglich einer Umdeutung unterzogen wurde. Das vermittelte Menschenbild blieb bei beiden Interpretationen im wesentlichen gleich. In der Klassik schuf man Idealwesen(z.B. der Doktor Faust in Faust II), die als Vorbild dienen sollten. Die Menschen sollten sich an solchen Vorbildern orientieren und somit das humane Menschenbild der Klassik verinnerlichen. In dieses Konzept passte Antigone hervorragend hinein und so griff man den Stoff der Antigone wieder auf. Außerdem passte das Stück in das Bild der Rückbesinnung der Antike - ein Hauptmerkmal der Klassik.

Antigone stand für den human handelnden Menschen. Kreon hingegen für die willkürlichen Herrscher. Er stellte das komplette Gegenteil dessen dar, was die Vertreter der Klassik unter einem guten König verstanden. Kreon handelte egoistisch, war chauvinistisch und hielt stur an den Gesetzen fest, die nicht das Resultat gründlicher Überlegungen waren. Er regierte mithilfe der Angst, die sein Volk vor ihm hat und setzte sich über dessen Ansichten hinweg (Polyneikes zu bestatten und Antigone nicht zu bestrafen). An diesen Unzulänglichkeiten scheitert Kreon auch am Ende. Die Vertreter der Klassik verlangten einen Herrscher, der sich für das Wohl des Volkes einsetzt, der die religiöse Tradition achtet und der Vernunftsgründen zugänglich ist.


Weitere Verwendung des Stoffes

Die Antigone gehört neben dem König Ödipus zu Sophokles' einflussreichsten Werken; zahlreiche Bearbeitungen legen davon Zeugnis ab. Hegel nannte die Antigone in seinen Vorlesungen über Ästhetik das vollkommenste Kunstwerk, das ihm bekannt sei.

Das Antigone-Thema diente neben Sophokles und vielen anderen auch Walter Hasenclever (1917), Jean Anouilh (1943), Bertolt Brecht (1947) und Rolf Hochhuth („Berliner Antigone“, 1963) als literarische Vorlage.

Darüber hinaus fand es in Opern von Tommaso Traetta („Antigona“, 1772), Arthur Honegger (1927), Carl Orff („Antigonae“, 1949) und Georg Katzer („Antigone oder Die Stadt“, 1991) Anwendung.

Die deutsche Metalcoreband Heaven Shall Burn taufte ihr 2004 erschienes Album in Anlehnung an die griechische Sage „Antigone“.

Literatur


Weblinks

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