Johann Joachim Winckelmann

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Johann Joachim Winckelmann, Portrait von Raphael Mengs, 1755

Johann Joachim Winckelmann (* 9. Dezember 1717 in Stendal; † 8. Juni 1768 bei Triest) war ein deutscher Archäologe und Kunstschriftsteller. Er gilt als der Begründer der wissenschaftlichen Archäologie. Auch dem zur Zeit des Renaissance-Humanismus wirkenden Flavio Biondo wird diese Rolle zugeschrieben; Winckelmann ist in seiner Nachwirkung jedoch ungleich bedeutender als der italienische Humanist. Ist zudem Biondo eher ein Antiquar, so ist Winckelmann der Kunst des Altertums mit kunsthistorischen Methoden nähergetreten. Sein Wertmaßstab ist zudem in der Ästhetik begründet.

Leben

Herkunft und Werdegang

Winckelmann wurde als Sohn eines Schusters am 9. Dezember 1717 in Stendal geboren und war dank eines Stipendiums in der Lage, in Halle (Saale) Theologie zu studieren. 1740 übernahm Winckelmann eine Stelle als Hauslehrer in Osterburg bei Stendal, dann wechselte er an die Universität Jena, um dort von 1741 bis 1742 Medizin zu studieren. Von 1743 bis 1748 war er Konrektor der Lateinschule im altmärkischen Seehausen. Später nahm er das Studium der deutschen Reichsgeschichte auf, damals ein eigener und blühender Studiengang. Seine Lieblingsthematik, die griechische Kunstgeschichte, hat er zeitlebens als Autodidakt betrieben, sich jedoch darin als Meister erwiesen. Nach kurzen Anstellungen als Lehrer und Erzieher wurde er 1748 Bibliothekar bei Heinrich Graf von Bünau in Nöthnitz bei Dresden. Die Bibliothek des Grafen von Bünau war weit über Dresden hinaus bekannt. Zu den Besuchern gehörte auch Alberico Archinto, der von Winckelmann so beeindruckt war, dass er ihm die Stelle des Bibliothekars in Rom anbot. In den dortigen Galerien konnte er seinen Sinn für bildende Kunst entwickeln. In dieser Zeit war König August III. von Polen sein Gönner, der die bahnbrechenden Ideen Winckelmanns erkannte und ihn mit 200 Talern unterstützte. Am 17. September 1754 quittierte er den Dienst in Bünau, um das Angebot von Archinto wahrzunehmen und seinen Dienst unter verschiedenen Kardinälen in Rom und später als Oberaufseher für die Altertümer in Rom und Umgebung aufzunehmen.

Tod

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Im April 1768 reiste Winckelmann nach Deutschland, wurde unterwegs jedoch von einem melancholischen Anfall überwältigt. Schließlich kam er über Wien nach Triest, wo er dem vorbestraften Francesco Arcangeli zum Opfer fiel: Dieser tötete Winckelmann mit sieben Messerstichen, mutmaßlich um seiner Reisebörse habhaft zu werden. Fünf der Stiche, die den Körper Winckelmanns getroffen hatten, waren laut den Gutachtern tatsächlich tödlich. Winckelmanns Gegenwehr war dennoch so heftig, dass er sich außerdem beide Hände verletzte, weil er, um das Messer abzuwehren, in die Klinge fasste. Arcangeli war Winkelmanns Zimmernachbar im Hotel. Die Prozessakten dieser für damalige Verhältnisse sehr akribisch durchgeführten Untersuchung des Tatherganges liegen auch in deutscher Übersetzung vor. Arcangeli wurde zum Tod durch Rädern verurteilt, als man ihm den Mord nachgewiesen hatte. Winckelmann wurde in Triest begraben. Er geriet zunächst schnell in Vergessenheit, so dass zur Zeit Johann Gottfried Seumes 1802 erfolgten Spaziergang nach Syrakus das Grab Winckelmanns so gut wie unbekannt war. Nebenbei bemerkt: Zufällig übernachtete Seume im gleichen Hotel, wo Winckelmann ermordet wurde.

Fast 60 Jahre nach dem Tathergang wurde ihm durch die Initiative von Dr. Domenico Rossetti dort ein Grabmonument errichtet. Rosetti wiederum war es auch, der sich etwa 40 Jahre nach dem Ereignis als erster um eine möglichst detailgetreue Darstellung des Tatherganges nach den Prozessakten bemühte.


Werk und Bedeutung

Winckelmanns wichtigste Veröffentlichungen

1755 gab Winckelmann seine erste Schrift in einer Auflage von nur knapp 50 Exemplaren heraus: "Gedanken über die Nachahmung der Griechischen Werke in der Malerei und Bildhauer-Kunst" (Dresden). Dieses epochemachende Werk wurde schnell sehr erfolgreich, so dass Winckelmann bereits 1756 eine zweite Auflage veröffentlichte, der er eine von ihm selbst verfasste Gegenschrift ("Sendschreiben über die Gedanken Von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst") sowie eine wieder unter seinem Namen veröffentlichte Gegen-Gegenschrift ("Erläuterung der Gedanken Von der Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst; und Beantwortung des Sendschreibens über diese Gedanken") anhängte und so die öffentliche Aufmerksamkeit für seinen Erstling deutlich vergrößerte. Die "Gedanken" enthalten bereits in nuce die meisten seiner Ideen und Konzepte in einer formvollendeten Sprache. Hierauf erhielt er die Einladung zu einer Reise nach Rom, wo er nach kurzer Zeit als Bibliothekar bei Kardinal Archinto arbeitete, später in der gleichen Stellung bei Kardinal Alessandro Albani, einem ebenso liberalen wie kunstbeflissenen Mäzen. Im Jahr 1763 wurde Winckelmann als erster Ausländer mit der Oberaufsicht über die Antiken in und um Rom beauftragt und verfasste in dieser Zeit u.a. Schriften zu den neuesten Ausgrabungen bei Herculaneum, die er interessiert verfolgte. 1764 schließlich konnte er sein Hauptwerk "Die Geschichte der Kunst des Altertums" (2 Quartbde., Dresden) herausgeben. Winckelmann stellte darin nicht lediglich die Geschichte der Kunst dar, sondern auch ein entwickeltes System der griechischen Kunst auf. Im Kern ist es eine Charakteristik des Stils der Plastik nach den Bestandteilen und nach Typen und Klassen des Idealschönen.


Winckelmanns Bedeutung für die Antikerezeption

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Für Winckelmann ist es die höchste Aufgabe der Kunst, die Schönheit darzustellen ("edle Einfalt und stille Größe"). Winckelmanns Bild der römischen und griechischen Antike prägte sehr wesentlich den Geist des deutschen Klassizismus. Das besonders an den Formen ausgerichtete Empfinden der Kunstwerke und ihre Rezeption bei Winckelmann wirkte sowohl bei Goethe als auch Schiller prägend. (Goethe war 1786 bis 1788 in Italien.) Wie prägend Winckelmann war, belegt Goethe mit seiner in Tübingen erschienenen Schrift von 1805 Winckelmann und sein Jahrhundert. Die Reisebeschreibung von Goethe selbst enthält zahlreiche Rückbezüge auf Winckelmann. Johann Heinrich Wilhelm Tischbein wiederum als Maler und Kunstkenner blieb ebenfalls hiervon nicht unbeeinflusst. Dieser porträtierte Goethe in Italien auf einer großen Leinwand. Auch die Vorstellung, dass die Architektur und damit auch die Plastik weiß gewesen sei, geht letzten Endes auf Winckelmann zurück. Archäologisch hingegen lässt sich belegen, dass die Architektur in der Regel bemalt war. Auch in der Plastik haben wir keineswegs nur unbemalte Beispiele, sondern auch bemalte, die sich belegen lassen. Beispielsweise hierfür nennen lässt sich ein Blonder Kopf von der Akropolis.

Winckelmann gehörte auch zu den Personen, die Grabungen anmahnten, um das historische Olympia (Griechenland) freizulegen. Im Januar 1768 nahmen die Reisepläne Winckelmanns konkrete Formen an, jedoch brachte sein gewaltsamer Tod diese Initiative zum Erliegen. Erst in den Jahren 1875 bis 1881 begann unter der Leitung von Ernst Curtius durch das Deutsche Archäologische Institut die systematische Ergrabung. Die unter seiner Leitung wie auch der von Wilhelm Dörpfeld und Georg Treu erbrachten Ergebnisse, gaben Winckelmann postum hinsichtlich seiner Forderung der Ergrabung Olympias im vollstem Umfang Recht.


Werke

Werkausgabe

Schriften und Nachlass:

  • Bd.IV,1: Geschichte der Kunst des Alterthums, Mainz 2003, Text, Erste Aufl. Dresden 1764; Zweite Auflage Wien 1776.
  • Geschichte der Kunst des Alterthums. Dresden 1764. FaksimileneudrucK der l. Aufl. 1966. (Studien zur deutschen Kunstgeschichte. 343.)
  • Kleine Schriften, Vorreden, Entwürfe. Hrsg. von Walther Rehm. Mit e. Einl. von Hellmut Sichtermann. Berlin 1968.
  • Briefe. 4 Bände. Hrsg. von Walther Rehm und Hans Diepolder. de Gruyter, Berlin 1952-1957.

Literatur

  • Johann Wolfgang von Goethe: Winckelmann und sein Jahrhundert. Tübingen 1805 (mit Beiträgen von Meyer and Wolf).
  • Carl Justi: Winckelmann und seine Zeitgenossen. 2. Auflage. 3 Bände. Leipzig 1898.
  • Wilhelm Schäfer: Winckelmanns Ende. 1. Auflage limitiert auf 500 Exemplare. Verlag Georg Müller, München 1925.
  • H. C. Hatfield: Winckelmann and his German Critics. 1755-1781. A prelude to the Classical Age, New York 1943.
  • H. Rüdiger: Winckelmann und Italien. Sprache-Dichtung-Menschen, Krefeld 1956.
  • H. A. Stoll: Winckelmann, seine Verleger und seine Drucker, Berlin 1960.
  • Thomas W. Gaehtgens (Hrsg.): Johann Joachin Winckelmann. 1717-1768, Hamburg 1986.
  • A. Potts: Flesh and the Ideal. Winckelmann and the Origins of Art History, New Haven and London 1994.
  • Wolfgang Leppmann: Winckelmann. Ein Leben für Apoll. Propyläen, Berlin 1996 ISBN 3-549-05595-1 (Biographie).
  • Élisabeth Décultot: Johann Joachim Winckelmann. Enquête sur la genèse de l’histoire de l’art, Paris 2000.
  • Esther Sophia Sünderhauf: Griechensehnsucht und Kulturkritik. Die deutsche Rezeption von Winckelmanns Antikenideal 1840-1945. Akademie-Verlag, Berlin 2004 ISBN 3-05-004100-5 (zugleich Dissertation der Humboldt-Universität Berlin, 2002).
  • Literatur zum Mordfall Winckelmann: siehe Artikel Francesco Arcangeli (Winckelmann-Mörder)
  • Wolfgang von Wangenheim: Der verworfene Stein, Verlag Matthes-Seitz, Berlin 2005, ISBN 3-88221-861-4 (Biographie).
  • Mathias Schmoeckel: Fiat Iustitia! Thema und Variationen über einen Mord in Triest, Stendal 2005; Akzidenzen 15, Flugblätter der Winckelmann-Gesellschaft, Herausgegeben von Max Kunze, ISBN: 3-910060-71-4.
  • Urs Müller: Feldkontakte, Kulturtransfer, kulturelle Teilhabe. Winckelmanns Beitrag zur Etablierung des deutschen intellektuellen Felds. Leipzig: Leipziger Universitätsverlag, 2005, ISBN 3-86583-035-8 (=Transfer – Die deutsch-französische Kulturbibliothek; 24).

Weblinks

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